Wer bist du?

Ich bin Karl-Heinz Cewe und 1955 in Wolkenberg-Ausbau geboren. Das ist eine Ortschaft, die wegen des Tagebaus abgerissen wurde. Die Bürger wurden enteignet und noch dazu schlecht abgefunden. Jetzt wohne ich in Welzow am Rande des Tagebaus.

Du hast in der Kohleindustrie hier in der Lausitz gearbeitet?

Ja, ich bin 1970 in der Kohle angefangen und war zunächst in der Brikettfabrik in allen Abteilungen tätig. 1991 wurde mir gekündigt und kurz danach wurde ich wieder eingestellt. Diesmal im Tagebau Jänschwalde, in der Personalaufstellung von Cottbus Nord. Seit 1997 bin ich nicht mehr in der Kohleindustrie. Ich arbeite nun als Hausmeister und Transportdienstleister.

Die Situation damals glich einem makabren Spiel. Vattenfall wollte den Tagebau weiterbetreiben, obwohl schon beschlossen war, dass er auslaufen sollte. Cottbus Nord fungierte also als Puffertagebau für den Fall, dass zusätzliche Stromkapazitäten gebraucht würden und nur eine Mannschaft sollte darin beschäftigt werden. (Am 1. Weihnachtsfeiertag 2015 wurde der letzte Kohlezug rausgefahren. Dort soll jetzt die Cottbusser Ostsee entstehen.) So wurden 300 Menschen entlassen. Darunter war auch ich. Daraufhin habe ich drei Gerichtsverfahren geführt, um diese Entscheidung anzufechten. Ich musste dreimal vor Gericht, weil der Konzernname in der Zeit gleich dreimal geändert wurde. (Von Kohle-Energie-Cottbus, zu Rheinbraun, zu Lausitzer Braunkohleenergie.) Vor acht Jahren ist dann Vattenfall eingestiegen. De facto blieben jedoch der gleiche Stil, die gleichen Mitarbeiter und die gleiche Konzernführung.

Die Profite waren damals so gut, doch nur einige wenige haben sich daran bereichert. Gleichzeitig wurden Arbeitsplätze abgebaut. Von 85.000 sind 7.000 Mitarbeiter übrig geblieben. Es ist erstaunlich, dass jeder, der ein Stück Land kauft, in Deutschland Grundstückspreise offenlegen und Bodenerwerbssteuer zahlen muss. Aber Vattenfall vergibt Milliardenwerte und vereinbart die Kaufsumme stillschweigend. Die Bürger und der Staat werden betrogen und klatschen Beifall. Der Konzern fordert sogar Summen aus den Steuereinnahmen zurück, weil das Kohlegeschäft so schlecht geworden ist.

Vattenfall macht Windenergie, Gaskraftwerke, Wasser, Kohle. Von den Gewinnen bleibt aber nichts in Deutschland und bei den Arbeitern. Es gibt französische, niederländische und weitere Sparten. Doch wir haben nichts davon. Unsere Landesväter machen einfach mit.

Wie geht es den Leuten, die hier leben?

Die Bürger, die an den Rändern des Tagebaus leben, werden völlig alleingelassen. Eine Schlichtungsstelle und eine Gesetzgebung zur Randbetroffenheit fürchtet der Konzern wie der Teufel das Fegefeuer.

Allerdings sind die Bürger in der Region sehr zweigeteilt, weil Vattenfall der einzige Arbeitgeber ist und es wurden in der Vergangenheit Investitionen durch andere Industriezweige verhindert. Es gab für diese keine Planungssicherheit, denn Risse in den Erdschichten oder das Wegbaggern von ganzen Flächen waren möglich. So wurden auch Aufträge aus der Kohleindustrie ausgelagert usw.

Dennoch, viele halten zu Vattenfall, weil sie ihre Kinder noch hier aufwachsen sehen. Aber die junge Generation verlässt die Region. Wir haben nur noch Unterstufen in der Schule. Wir haben tolle Spielplätze, aber keine Kinder. Wir haben Dörfer aus Pappe. Wie damals im zweiten Weltkrieg wurden Dörfer aus Pappe aufgestellt, Panzer aus Gummi. Genau das macht Vattenfall mit seinen Prestigeprojekten der Region. Es hat keine Substanz.

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Warum bist du aktiv im Kohlewiderstand?

Ich fühle mich betrogen von Vattenfall. Wir hatten ein Bauernhaus, das wurde 1991 abgebaggert. Die Entschädigung war mickrig. Dieser Ort hätte nicht abgebaggert werden dürfen. In der DDR-Zeit gab es noch Zehnjahrespläne, die eingehalten wurden. Danach gab es einen Bann durch die Kohleindustrie für die Orte hier, es gab z. B. Bausperren, man durfte nicht mal das eigene Haus reparieren. Wenn ein Bann über einem Ort hängt, dann wollen die nächsten Generationen nicht bleiben. Mit diesen Verhältnissen konnte der Kapitalismus nicht umgehen. Die Bundesregierung hätte nach der Wende gerechte Verhältnisse hier schaffen können. Das hat sie nicht gemacht. Die CDU trägt dafür die Hauptschuld. Pegida und andere Bewegungen sind die Früchte ihrer schlechten Arbeit.

Was genau machst du im Braunkohlewiderstand?

Ich arbeite mit bei der Randbetroffenheit. Es gibt eine Arbeitsgruppe im Stadtrat, die mit Vattenfall verhandelt. Jetzt müssen wir alle Ergebnisse dieser Gruppe in Frage stellen, weil die Tagebaue verkauft werden sollen. Wir fordern, dass jedes abgebaggerte Grundstück mit mindestens 10.000 Euro entschädigt wird. Und wir wollen günstige Energie- und Wasserpreise. Die Sprinkleranlagen, die den gesundheitsgefährdenden Kohlestaub abhalten sollen, gehen nur noch an, wenn Journalisten vor Ort sind.

Ich weiß nicht, ob es gut ist, was ich hier mache, aber ich glaube schon.

In vier Jahren gehe ich in Rente. Bei den Kommunisten wäre ich schon im Knast.