Von Nicole Oliveira – 4. November 2015

 

Nicole Figueiredo de Oliveira, Direktorin von 350.org Brazil, hat an einem Seminar im argentinischen Senat teilgenommen, das von einer Bombendrohung unterbrochen wurde.

Nicole Figueiredo de Oliveira, Direktorin von 350.org Brazil, hat an einem Seminar im argentinischen Senat teilgenommen, das von einer Bombendrohung unterbrochen wurde.

Brisanter Start unserer Mission. Organisiert von 350.org und COESUS – der Coalizão Não Fracking Brasil (No-Fracking Brazil Coalition) –, brach die Misión No Fracking Latinoamérica diese Woche nach Argentinien auf, um sich mit Parlamentariern und Parlamentarierinnen, indigenden Mapuche-Gemeinden, Bäuerinnen und Bauern über die Auswirkungen von Fracking auszutauschen.

Gestern trafen sich die brasilianischen Kongressabgeordneten Rasca Rodrigues, Jose Carlos Schiavinatto, Fernando Scanavaca und Marcio Nunes mit den Stadträten Tita Furlan und Vagner Delabio aus Toledo und dem uruguayischen Senator Carol Aviaga, um über gemeinsame ökologische Herausforderungen zu diskutieren. Die Veranstaltung wurde von Senator Pino Solanas, dem Vorsitzenden des Umweltausschusses im argentinischen Senat, ausgerichtet.

Doch am Nachmittag räumte die Polizei den Saal im Senatsgebäude, in dem das Treffen stattfand, nachdem ein anonymer Anrufer vor einer Bombe in dem Raum gewarnt hatte. Wie die anschließende Durchsuchung ergab, handelte es sich um einen Fehlalarm.

Unser Ziel ist es, mehr über Fracking in Argentinien zu erfahren, einem Land, in dem es bereits betrieben wird, — und über die Auswirkungen auf die Einwohner. Wie Aussagen von Zeugen während des Meetings belegen, arbeiten ausländische und nationale Öl- und Gaskonzerne mit Fracking, um Gas zu fördern, das keines dieser Länder benötigt — und zwar, ohne über die erforderlichen Lizenzen dafür zu verfügen.

Im Brennpunkt der Diskussion stand das Thema Wasser, da Wasserverschmutzung, Wasserknappheit und der hohe industrielle Wasserverbrauch Probleme sind, die alle lateinamerikanischen Länder betreffen. Durch den massiven Einsatz von toxischen und krebserregenden Chemikalien werden ganze Dörfer und traditionelle Gemeinschaften vergiftet.

Im Laufe des Meetings wurde deutlich, dass mit den gigantischen Projekten für fossile Brennstoffe und deren Abbau eine Scheindemokratie einhergeht, in der Menschenrechte und die Rechte indigener Völker verletzt und Oppositionsbewegungen, ja sogar Parlamente ignoriert und ihres Rechts auf Information und Einspruch beraubt werden.

Am Abend gab es eine Veranstaltung mit lateinamerikanischen Denkerinnen und Denkern und großen Namen wie Alberto Acosta, unter dessen Präsidentschaft die Verfassungsgebende Versammlung Ecuadors die Rechte der Natur in der Verfassung verankerte, den Wissenschaftlern Eduardo Gudynas und Maristela Svampa, sowie wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der lateinamerikanischen Anti-Fracking-Bewegung wie Enrique Viale, Juan Pablo Olsson und Juliano Bueno de Araújo. Im Saal hatten sich viele argentische Senatorinnen, Senatoren und Parlamentarier*innen eingefunden (23 Parlamentarier*innen und fünf Senatorinnen und Senatoren), die mehr über die Alternativen zum Extraktivismus erfahren wollten und darüber, wie die Menschen in Lateinamerika gemeinsam eine neue Agenda entwickeln können. Alle Redner*innen, die von Rechtsverletzungen und Verfolgung berichteten, bezeugten den Mangel an Demokratie.

Unmittelbar vor meiner Rede ging die Bomdendrohung ein, und wir alle mussten das Gebäude verlassen. Wir alle, die wir uns Gedanken machen und die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne kritisieren und bekämpfen, haben eines gemeinsam: Wir lassen uns nicht so leicht zum Schweigen bringen. Der Widerstand ist Teil unserer DNA.  So warteten wir gelassen im Flur des Senatsgebäudes, während die Polizei die Räume durchkämmte. Wir ließen uns nicht abschrecken, und sobald wir grünes Licht bekamen, kehrten wir zurück und diskutierten weiter über den Klimawandel und den eindeutigen Zusammenhang zwischen Korruption, Unterdrückung und Projekten der Kohle-, Öl- und Gasindustrie.

Ein während des Ereignisses aufgenommenes Video:

(Übersetzung): Hallo Leute, alles in Ordnung hier. Wir mussten das Gebäude evakuieren. Alle sind jetzt hier draußen.
Wir warten nur, bis das Gebäude gesichert ist,  und hoffen, dass wir bald wieder hineingehen können (zur Versammlung). Ganz ruhig bleiben.”

Weitere Videos gibt es hier

Nach der Veranstaltung erklärten mir Solanas Sicherheitsleute, dass unsere Anwesenheit der Grund für die Bombendrohung war und welche Gefahr wir, eine Bewegung, die bereits  die Aussetzung der Fracking-Exploration in Brasilien  erreicht hat, für das Establishment aus YPF (dem staatlichen Energiekonzern Argentiniens), Petrobras und ihren Lobbyisten in den jeweiligen Regierungen darstellen.

Vor Kurzem, nur eine Woche, nachdem 350.org und COESUS fast 20 Minuten lang in Brasilien eine Fracking-Auktion unterbrochen und dafür gesorgt hatten, dass alle Kohle-, Öl- und Gas-Investoren unsere Botschaft zu hören bekamen, wurde in unser Büro eingebrochen. Es wurden Festplatten, Computer und USB-Sticks gestohlen. Ein paar Tage später entdeckten wir zwei Wanzen in unseren Büros, eine davon direkt unter meinem Tisch. Geheimdienstagenten folgen uns überallhin, und auch unsere Hotelzimmer sind verwanzt.

Das ist es wohl, was Aktivisten in einer Scheindemokratie passiert, in der die Konzerne die Macht haben und die Polizei ihnen hilft, die Diktatur des Schweigens durchzusetzen.  Aber wir werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen, und ebensowenig werden wir in unserem Kampf für Klimagerechtigkeit, Demokratie, Menschenrechte und eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe nachlassen.

Und jetzt brauchen wir eure Hilfe. Wir müssen die gestohlenen Geräte ersetzen und das Büro besser sichern — für uns, für unsere Partner, für die Aktivisten und die Freiwilligen. Bitte spendet jetzt.

Mehr unter: http://www.naofrackingbrasil.com.br/