29. April 2020

45 Wirtschaftsinstitute und NGOs fordern die Europäische Zentralbank auf, mit ihren Konjunkturprogrammen nicht nur COVID-19, sondern auch die Klimakrise zu bekämpfen

Europa – Heute haben 45 Institute und NGOs in ganz Europa an Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, geschrieben. Sie dringen darauf, dass die EZB in ihren Konjunkturprogrammen, mit denen die Auswirkungen der Pandemie bekämpft werden sollen, auch die Gefahren berücksichtigt, die der Weltwirtschaft angesichts der Klimakrise drohen. Die Organisationen fordern die EZB auf, mit ihrer Arbeit einen echten Green New Deal zu fördern, der niemanden zurück lässt.

Der Senior Ökonom Frank Van Lerven (NEF) sagte:

“Die von der EZB geplanten Maßnahmen werden nicht nur auf Finanzmärkte, Menschen und Familien in der EU, sondern auch auf den Planeten und unsere Umweltziele tiefgreifende und lang anhaltende Auswirkungen haben. Bevor die Pandemie zuschlug, waren unsere Finanzmärkte drauf und dran, einen Temperaturanstieg um 4 °C zu finanzieren, trotz zahlloser Warnungen aus der Wissenschaft, dass dies zu beispiellosen Katastrophen führen würde. Nach der Coronakrise können wir uns einen Übergang zur Tagesordnung nicht leisten — wir müssen gestärkt daraus hervorgehen. Wir empfehlen couragierte Lösungen zur Neuaufstellung der Finanzwirtschaft, damit Chancen genutzt werden, um die Grundlagen für eine nachhaltige Erholung zu schaffen.”

Clémence Dubois, Campaignerin für Frankreich bei 350.org, sagte:

“Mit ihrem Pandemie-Notfallankaufprogramm stellt die Europäische Zentralbank 750 Mrd. Euro für die Stabilisierung europäischer Märkte zur Verfügung. Die Maßnahmen von heute werden unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften in den kommenden Jahren prägen. Christine Lagarde hat immer wieder versprochen, dass die Bank ihre Tätigkeit auch am Klimarisiko ausrichten wird. Trotzdem werden jetzt Anleihen von Konzernen wie Shell und Total angekauft, die den Klimakollaps vorantreiben. Die Krisenlösung unserer öffentlichen Institution darf nicht darin bestehen eine weitere Krise zu schaffen. Die Bank muss die Menschen retten und nicht die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne. Und sie muss einen gerechten Aufschwung im Sinne eines Green Deal unterstützen.”

Stanislas Jourdan, Exekutivdirektor von Positive Money Europe, sagte:

“Mit ihren jüngsten COVID-19-Maßnahmen hat die EZB ihr ideologisches Korsett abgelegt und Entscheidungen getroffen, die noch vor wenigen Monaten undenkbar waren. Nun erwarten wir die gleiche Kühnheit und Kreativität bei der Bewältigung der größten Krise unserer Zeit — der Klimakrise. Es besteht Handlungsbedarf, und zwar nicht erst bei der verspäteten strategischen Überprüfung der EZB, sondern schon vorher. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.”

Sandrine Dixson-Declève, Ko-Präsidentin des Club of Rome, sagte:

“Sowohl das Europäische Parlament als auch die EZB haben anerkannt, dass die EZB an das Pariser Abkommen gebunden ist. Wichtige Finanzinstitutionen wie die EIB und die EBWE passen derzeit ihre Kreditvergabepolitik an das Pariser Abkommen an. Zugleich hat die Europäische Kommission ihr Bekenntnis zum Green Deal und nachhaltigen Finanzierungsanreizen bekräftigt. Dabei wird die EZB von diesen Unterzeichnern unterstützt. In dieser Krise müssen alle Institutionen an einem Strang ziehen, die Wirtschaft in die gleiche Richtung lenken und das Wohlergehen der Menschen und des Planeten in den Mittelpunkt stellen.”

In dem Brief, der vor der EZB-Ratssitzung am 30. April versandt wird, werden fünf Schritte zur Entwicklung nachhaltiger Konjunkturmaßnahmen empfohlen, nämlich: 

  • Anpassung der Ankaufprogramme und des Sicherheitenrahmens der EZB an das Pariser Abkommen
  • Anpassung von Refinanzierungsmaßnahmen für den Bankensektor an das Pariser Abkommen
  • Unterstützung von Anlagemärkten für nachhaltige Investitionen und Fördermaßnahmen für grüne Investitionen in Abstimmung mit der Europäischen Investitionsbank (oder anderen gleichrangigen Europäischen Institutionen)
  • Umsetzung durchdachter Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz des europäischen Bankensektors gegenüber Klimarisiken und zur Eindämmung schmutziger Kapitalströme (z.B. der Finanzierung fossiler Brennstoffe)
  • Überprüfung des Anpassungsprozesses ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und der des europäischen Bankensektors an das Pariser Abkommen sowie dazugehöriges regelmäßiges Informieren gewählter Abgeordneter

Zu den Unterzeichnern gehören große internationale NGOs wie Greenpeace und Oxfam ebenso wie wichtige europäische Organisationen, z.B. Finanzwende aus Deutschland, Reclaim Finance aus Frankreich, WWF Griechenland, Economic Democracy Finland, Trocaire aus Irland, IIDMA aus Spanien, FOCSIV aus Italien und Klima-Allianz Schweiz

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Anmerkungen 

Weitere Informationen zu der Menschen nicht Verschmutzer Kampagne: 350.org/de/menschen-nicht-verschmutzer/

Der Brief wurde von einer Gruppe von Organisationen koordiniert, darunter das Council on Economic Policies, die New Economics Foundation, Positive Money Europe und 350.org.

Ansprechpartner*in für Presse und Interviews: 

Der Brief und die vollständige Liste der Unterzeichner sind hier zu finden. Ein Briefing-Paper mit weiteren Informationen über die empfohlenen fünf Schritte steht hier zur Verfügung.

Eine Abordnung der Koordinationsgruppe für diesen Brief hat sich im Dezember 2019 mit Christine Lagarde getroffen und über die Einbeziehung des Klimawandels in die strategische Überprüfung der EZB beraten. Einzelheiten zu diesem Treffen finden sich hier.