8. Oktober 2019

Atom-Aktien abgestossen: Umweltschützer kritisieren “Klimablindheit” des Bundes und fordern Verkauf auch der Erdgas- und Ölaktien

PRESSE-STATEMENT zur sofortigen Veröffentlichung ab 2.10.2019
zum Atom-Aktien-Verkauf des Bundes in Höhe von 380 Mio. Euro

ffb-logo2-on-white.png

02.10.2019, Berlin / „Klimablindheit“ werfen Umweltschützer:innen dem Bund vor, weil er bei seinem Verkauf von Aktien gefährlicher Energiekonzerne allein an Atomkraft und nicht an fossile Brennstoffe denke. In einer Pressemitteilung hatte das Bundes-Innenministerium am 01.10.2019 informiert, dass der Bund Aktien im Wert von 380 Millionen Euro nach einem Beschluss des Anlageausschusses verkauft habe, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart war. [1]

„Warum verkauft der Bund Atom-Aktien, behält aber seine Anti-Klima-Aktien von Erdgas- und Ölkonzernen? Das macht uns fassungslos und bestärkt die Zweifel an der Arbeit des Klimakabinetts“, kritisiert Mathias von Gemmingen von der Klima-Initiative ‚Fossil Free Berlin‘.

Das zuständige Innenministerium verschweige, „wie groß das Finanzrisiko für die Staatskassen ist, wenn der Bund weiterhin mit Hunderten Millionen Euro in alte, fossile Brennstoff-Unternehmen investiert bleibt“, so von Gemmingen. „Warum greifen das Finanzministerium und der Bundestag nicht ein?“ [2]

Auch der Zeitpunkt des Atomaktien-Verkaufs deute auf „klimablindes“ Agieren hin, so Franz Ambelang von ‚Fossil Free Berlin‘. „Ausgerechnet am 20. September 2019 während der größten weltweiten Klimastreiks aller Zeiten verkauft der Bund die Aktien gefährlicher Energiekonzerne – und denkt dabei allein an Atomkraft. Diese Klimablindheit ist nicht nachvollziehbar“.

Erst vergangene Woche hatten sich Abgeordnete des Bundestages von SPD und CDU bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion offen für den Aktienverkauf und das sogenannte „Divestment“ geäußert. Im ausverkauften Zoopalast-Kino beantwortete Bettina Hagedorn (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Fragen zu Plänen der Bundesregierung, Deutschland zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu machen [3]. Die Frage, ob es Sinn mache, dass eine Bundesregierung Geld in Unternehmen investiert habe, die ihr Geschäftsmodell auf fossile Brennstoffe fußen, beantwortet Frau Hagedorn eindeutig und sagte: „Nein.“ Auch Dr. Hermann-Josef Tebroke, Finanzexperte der CDU und Abgeordneter des Bundestag, sprach sich dafür aus, riskante Aktiengeschäfte mit Energiekonzernen zu begrenzen: „[Es ist] ein Zeichen der ökonomischen Vernunft, diese Aktien nicht mehr im Portfolio zu haben.“ [4]

Finanzrisiko-Studien zum Beispiel von Amundi, einem der größten Anlageverwalter der Welt, der Universität Hamburg und der Deutsche-Bank-Tocher “Deutsche Asset Management“ bestätigen Tebrokes Ansatz [5]. „Viele Finanzmarktexperten sind sich einig, dass Investoren oft mehr verdienen, wenn sie ökologisch-soziale Nachhaltigkeitskriterien beachten“, so Ambelang. „Warum hinkt der Bund hinterher und verkauft seine Erdgas- und Ölaktien jetzt nicht auch?“

Die internationale Divestment-Bewegung erreichte Mitte September 2019 einen neuen Meilenstein. Über 1.100 Großinvestoren, darunter Pensionsfonds, Versicherer, Kirchen, Städte und Universitäten, bekennen sich zu Divestment. 11 Billionen Dollar sind dadurch gesperrt für Konzerne der Erdgas-, Kohle- und Ölindustrie [6].

***

Fotos der Veranstaltung “Finance for Future” am 25.09.2019 im Zoopalast-Kino in Berlin in Print-Auflösung stehen auf Anfrage beim Pressekontakt kostenfrei zur Verfügung (Copyrights: Fossil Free Berlin / Fotograf: Willem Thomson).

***

Pressekontakt
Mathias v. Gemmingen / Organisator bei Fossil Free Berlin / [email protected]

Quellen & Anmerkungen:
1] Pressemitteilung des Bundesministerium des Innern: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/09/beteiligung-kkw-ausland.html
[2] Bericht in ‘Die ZEIT’ über Aktiengeschäfte des Bundes: https://www.zeit.de/2018/19/investitionen-bund-pensionsgelder-fossile-brennstoffe/komplettansicht
[3] Pressemitteilung des Staatssekretärsausschuss “Deutschland zu einem führenden Standort für Sustainable Finance machen”
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/staatssekretaersausschuss-bundesregierung-will-deutschland-zu-einem-fuehrenden-sustainable-finance-standort-machen-1584100
[4] Videoaufzeichnung der Podiumsdiskussion “Finance for Future” am 25.09.2019 im Zoopalast-Kino Berlin, initiiert von Fossil Free Berlin: https://twitter.com/DivestBerlin/status/1177482975589490692?s=20
[5] Metastudien von Amundi und Deutsche Asset Management:
http://research-center.amundi.com/page/Article/2019/01/The-Alpha-and-Beta-of-ESG-investing
https://www.db.com/newsroom_news/2016/ghp/esg-and-financial-performance-aggregated-evidence-from-more-than-200-empirical-studies-en-11363.htm
[6] Liste aller Großinvestoren weltweit, die sich für Divestment entschieden haben: https://gofossilfree.org/divestment/commitments/

Über Fossil Free Berlin:
Erfahrene Campaigner*innen und Ehrenamtliche gründeten 2014 ‘Fossil Free Berlin’ und erzielten 2016 einen ersten großen Erfolg: Als Reaktion auf öffentlichkeitswirksame Aktionen und eine dauerhafte Divestment-Debatte beschloss das Parlament des Landes Berlin, Unternehmen aus den 823 Mio. € Versorgungsrücklagen auszuschließen, die mit fossilen Brennstoffen, Atomkraft und Kriegswaffen Geschäfte machen. Das Berliner Team ist Teil der internationalen Klimabewegung ‚Fossil Free‘, die von der Klimaschutz-Organisation ‘350.org‘ und Bill McKibben (Träger des Alternativen Nobelpreises 2014) initiiert wurde. In Deutschland sind 25 Divestment-Initiativen aktiv, weltweit über 1.100. Sie setzen sich für 100% erneuerbare Energie und eine Abkehr von der fossilen Brennstoff-Industrie ein.