4. März 2022

Ukrainische Aktivist*innen stehen an der Spitze des weltweiten Protests gegen fossile Brennstoffe, die auch Putins Kriegsmaschine anheizen

Über 450 Organisationen fordern die Regierungen der ganzen Welt auf, russisches Öl und Gas zu boykottieren und aus den fossilen Energien auszusteigen – im Namen des Friedens.

4. März 2022 Hunderte von Organisationen bekunden ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk in einem gemeinsamen Aufruf an die Regierungen der Welt, die Förderung fossiler Brennstoffe ein für alle Mal zu beenden. Die aktuelle Krise zeigt, dass Putin Gelder aus der Öl- und Gasindustrie als Waffen einsetzt, um Menschenleben zu bedrohen und einen brutalen und unmenschlichen Krieg vom Zaun zu brechen. Dies unterstreicht nur die Rolle des Systems fossiler Brennstoffsystems als Anheizer von globalen Konflikten.

Dieser Krieg ist in erster Linie ein Kampf für die Freiheit der Ukraine. Es ist aber auch ein Kampf für weltweite Selbstbestimmung. Der Brief – initiiert von einem Dutzend ukrainischer Klimaorganisationen –erkennt an, dass dieser Krieg eine “schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, des Völkerrechts und des Weltfriedens” ist, angeheizt durch das Geld aus der Öl- und Gasindustrie, das Putins Kriegsmaschinerie antreibt. 40% des nationalen Haushalts Russlands kommt aus der Öl- und Gasindustrie, die auch 60% der russischen Exporte ausmacht.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierungen auf, “alle notwendigen gewaltfreien Mittel einzusetzen, um Putin und seine Kriegsmaschinerie zu stoppen, den Frieden wiederherzustellen und diese ungeheuerliche mörderische Aggression zu beenden. Die Regierungen müssen zusammenarbeiten, um den Übergang zu sauberen und sicheren erneuerbaren Energien schnell und fair zu gestalten”.

Diese Forderung beinhaltet auch, “Investitionen in – und Handel mit – Gazprom, Rosneft, Transneft, Surgutneftegas, LukOil, Russian Coal und anderen” vollständig einzustellen und alle Finanzdienstleistungen für russische Energieunternehmen, die im Kohle-, Öl- und Gassektor tätig sind, zu beenden.

Die ukrainische Klima-Aktivistin Svitlana Romanko sagt dazu:”Der schreckliche Krieg in der Ukraine, in dem jeden Tag Menschen sterben, ist Ergebnis davon, dass Regierungen und Ölgiganten die russischen Gewalttaten jahrelang blind geduldet haben, um den Status quo der fossilen Energiewirtschaft aufrechtzuerhalten. Wir rufen alle Regierungen, Unternehmen und Finanzinstitutionen auf, sich aus Russland zurückzuziehen, den Handel mit fossilen Brennstoffen zu beenden und ein Embargo gegen Russland zu verhängen. Wir rufen zu Gerechtigkeit und Frieden auf. Wir rufen dazu auf, diesen Krieg zu beenden. Wir wollen keine Kriege mehr. Die Nationen weltweit müssen sich zu einem raschen und gerechten Übergang weg von allen fossilen Brennstoffen verpflichten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Unternehmen für fossile Brennstoffe ihr ‘Peace washing’ betreiben, um noch umfangreiche Ausbeutung fossiler Brennstoffe zu rechtfertigen.”

Roman Shakhmatenko, stellvertretender ukrainischer Minister für Umweltschutz, gab folgendes Statement:”Wir dürfen nicht mehr gleichgültig sein sondern müssen vorwärts kommen. Wir müssen aufhören, Gas, Öl und Kohle zu nutzen. Internationale Gesetze dürfen nicht gebrochen werden. Diejenigen, die sie brechen, sind zur Verantwortung zu ziehen.

Die Unterzeichnenden heben besonders hervor, dass die Welt nicht einfach die von Russland produzierten fossilen Brennstoffe (insbesondere fossiles Gas) durch fossile Brennstoffe aus anderen Ländern (insbesondere Flüssigerdgas) ersetzen darf. Sie fordern stattdessen, dass die Expansion der fossilen Brennstoffe sofort gestoppt werden muss. Die Staaten müssen sich weltweit zu einem raschen und gerechten Ausstieg aus fossiler Energie verpflichten.

Die Forderung, die weltweite Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der UN-Generalsekretär auf den in dieser Woche veröffentlichten IPCC-Bericht reagiert, in dem es heißt: “Fossile Brennstoffe sind eine Sackgasse – für unseren Planeten, für die Menschheit und ja, auch für unsere Wirtschaft”. Der Bericht führt klar vor Augen, dass die Welt, was den Klimawandel betrifft, an die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit stößt, sodass eine sofortige Senkung der Emissionen unbedingt notwendig ist.

Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, die allein in den letzten zehn Jahren für 86% der CO2-Emissionen verantwortlich waren, sollte für alle Regierungen, die jetzt mit einer doppelten Klima- und Sicherheitskrise konfrontiert sind, deutliche Priorität sein. Derzeit gibt es jedoch keine internationale Strategie, die sich speziell auf die Produktion fossiler Brennstoffe richtet und es den Regierungen ermöglichen würde, Wege der Transition auszuhandeln – weshalb viele der Unterzeichnenden dieses Schreibens auch einen globalen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe, fordern und die Beyond Oil and Gas Alliancen unterstützen.

Die Unterzeichner des Briefes kommen aus 49 Ländern auf der ganzen Welt. Unter ihnen befinden sich das Climate Action Network (CAN) International, der Ökumenische Rat der Kirchen, das Center for International Environmental Law, das Climate Reality Project, Christian Aid, 350.org, Sierra Club und das Rainforest Action Network. Geäußert haben sich auch mehrere ukrainische Aktivist*innen:

Yevheniia Zasiadko, Leiterin der Klimaabteilung des Center for Environmental Initiatives Ecoaction: “Jegliche Beziehung zu Russland fortzusetzen bedeutet, den Krieg in der Ukraine zu unterstützen und Kinder, Frauen und Männer auf den Straßen friedlicher Städte zu töten. 44 Millionen Menschenleben in der Ukraine sind in der letzten Woche zerstört worden. Dies ist der Punkt, an dem Europa vollständig auf fossile Brennstoffe aus Russland verzichten und alle Geschäfte mit der Kohle-, Öl- und Gasindustrie einstellen muss.”

Nataliya Andrusevych, Vorsitzende des Think Tanks “Society and Environment”: “Russland tötet. Kaufen Sie nichts aus Russland, insbesondere kein Gas und Öl. Die Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen veranlasst einige Länder zu schweigen und nicht oder nur zögerlich auf die russische Aggression gegen die Ukraine zu reagieren.”

Kostiantyn Krynytskyi, Leiter der Energieabteilung der NGO Ecoaction: “Russland hat deutlich gemacht, dass Gas ein Kraftstoff ist, der den Krieg befeuert. Es ist höchste Zeit, Kohle, Öl und Gas zu verbieten, durch die dieser Krieg buchstäblich finanziert wird. Eine meiner Hoffnungen für den künftigen Wiederaufbau der Ukraine ist, dass unsere Regierung und unsere internationalen Partner nur nachhaltige Lösungen und saubere Energie unterstützen und nicht in die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zurückkehren.”

Olha Boiko, Koordinatorin von CAN EECCA: “Ich hoffe, dass die Welt unsere Botschaft laut und deutlich hört – nie gab es einen besseren Zeitpunkt, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen und keine Kohle, kein Öl und kein Gas mehr aus Russland zu kaufen als jetzt. Die ukrainische Zivilgesellschaft fordert alle Länder und Unternehmen, die in Russland investieren dazu auf, ihre Augen zu öffnen. Es sind Gelder aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrier, die diesen Krieg anheizen. Ziehen Sie Ihre Anteile aus dem russischen Geschäft mit fossilen Brennstoffen ab und investieren Sie stattdessen in den gerechten Übergang zu erneuerbaren Energien.”

Roman Nitsovych, Forschungsdirektor der DiXi Group: “Wir haben unsere westlichen Partner – Regierungen, Unternehmen und Experten – immer wieder davor gewarnt, dass russische Energie als Waffe eingesetzt wird. Wir haben immer wieder auf die Risiken einer hohen Abhängigkeit von russischen Lieferungen hingewiesen. Inzwischen ist man sich darüber im Klaren, dass die Einnahmen aus den russischen Öl- und Gasexporten vor allem zur Bereicherung von Putins Eliten verwendet wurden und umfangreiche militärische Aufrüstungsmaßnahmen stützen. Es ist sehr bedauerlich, dass der Westen dies erst erkennt, wenn unzählige Menschenleben in der Ukraine geopfert werden. Deshalb ist es so wichtig, den Aggressor jetzt zur Beendigung des Krieges zu zwingen – wobei der Ausstieg aus dem Bezug fossiler Brennstoffe aus Russland eine der wirksamsten Maßnahmen dafür darstellt.”

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