von Jonas Baliani, Interventionistische Linke, 20. August 2015

 

Wärend das Klimacamp noch Abgebaut wird, sind die meisten von uns inzwischen wieder zu Hause.

Was dieses Jahr im Rheinland passiert ist hatte für mich eine neue Dimension an vielen Punkten. Klar, es waren viel mehr Leute als die Jahre zuvor, aber auch einige andere Punkte sind äußerst spannend. Die Proteste haben sich sprungartig internationalisiert. Fast 100 Leute sind im Anschluss an das Anit-Atom-Camp nahe Bure zum Klimacamp im Rheinland übergesiedelt, es gab Busse oder Kleinbusse aus vielen Ländern. Insgesamt waren bestimmt über 300 Internationals auf dem Klimacamp, was die Kommunikation komplett zweisprachig und den Erfahrungsaustausch sehr eindrücklich gemacht hat.

Genauso beeindruckend fand ich, dass es kein klassisches Aktivist_Innen-Camp war. Ab Montag waren durchgehend über 1.000 Leute im Klimacamp, viele davon angezogen durch die Degrowth-Summerschool. Die Leute haben sehr konzentriert in vielen Workshops gesessen und sich über die unterschiedlichen Aspekte des Zusammenhangs zwischen Kapitalismus, Wachstumszwang und der Zerstörung von Lebensgrundlagen wissen angeeignet. Viele davon waren vorher nie wirklich auf einer politischen Aktion und waren zunächst unentschieden, ob sie am Samstag mit in die Grube gehen und an Ende Gelände teilnehmen werden.

Das erste mal seit Heiligendam gab es wieder jeden Tag Aktionstrainings, an denen jeweils 80-150 Leute teilgenommen haben und langsam hat sich auf dem Klimacamp eine Stimmung aufgebaut, in der sich Leute organisiert und auf die Aktion eingestimmt haben. Ich fand es sehr faszinierend wie entschlossen und solidarisch so viele Menschen waren, um diesen Klimawahnsinn im Rheinland zu stoppen. Am Samstag sind ungefähr 1.500 Leute bei der Ende Gelände Aktion dabei und früh morgens vom Camp aus aufgebrochen. Wie angekündigt sind wir in die Braunkohle-Grube Garzweiler eingedrungen, um die Riesen-Kohle-Bagger zum stehen zu bringen. Auf dem Weg zur Grube galt es eine Autobahn zu überwinden, die rund 1.200 Polizist*innen mit allen Mitteln verteidigen wollten. Viele von uns, grad aus der Aktionsvorbereitung, waren eher skeptisch wie wir das schaffen sollten und letztlich ist es nur durch die erstaunliche Entschlossenheit der Leute gelungen.

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Ganz früh am Samstag morgen also, haben sich 4 Finger – also Großgruppen mit bis zu 400 Leuten-  (Grün, Geld, Pink und Blau) aufgesplittet. Der Grüne Finger ist als erstes nach Norden und dort durch den 2. Tunnel unter der Autobahn die nur zur Hälfte durch Polizeiwannen und auf der anderen Seite mit 4 Reihen Polizist*innen gesichert war. Hier waren viele Leute aus anderen Ländern mit dabei, die sich den vorherigen Tag gesondert auf die Polizei vorbereitet hatten. Die Leute haben ihre Strohsäcke fest an sich gedrückt, haben sich untergehakt und sind ruhig aber unaufhaltbar durch die Polizeikette gebrochen.

Das hab ich lange schon nicht mehr so gesehen. Die Polizei hat hier und auch später eskalierend und überfordert reagiert , hat mit Pfefferspray um sich geschossen und um sich geprügelt. Einige Aktivist*innen sind ziemlich verletzt worden, viele Platzwunden. Der Grüne Finger hat sich aber nicht in eine Auseinandersetzung ziehen lassen, sondern ist unbeirrbar weiter in die Grube und hat auf dem Weg noch 5-6 Polizeiketten überwunden und ist erst nach wilder Verfolgungsjagd und illegalen Angriffen durch RWE-Securities kurz vor dem ersten Bagger zum stehen gekommen.

Damit war der Anfang gemacht. Pink und Gelb sind nach zwei ersten erfolglosen Versuchen, bei denen die ersten Reihen dem Pfeffer zum Opfer gefallen sind, weit nach Süden und über eine Baustelle eines neuen Autobahnkreuzes, wo zu wenig Polizist*innen standen, ebenfalls in die Grube. Pink ist auf Ebene eins fast bis zum Bagger gekommen, der inzwischen schon zum erliegen gekommen war. Gelb ist durch die Förderbänder weiter auf Ebene zwei. Dort ist noch die Hälfte durch RWE-Fahrzeuge & Polizeireihen gekommen und hat den zweiten Bagger erklommen und zum stehen gebracht, die andere Hälfte ist auf Ebene zwei eingekesselt und kurz später sitzend und sich erholend nochmal von Polizist*innen massiv angegriffen worden. Blau hatte versucht durch einen kleinen versteckten Tunnel zu kommen, war dann erfolglos weit gelaufen, um einen Übergang zu finden, als zwei Leute sich von einer Autobahnbrücke abgeseilt haben, so dass die Autobahn gesperrt werden musste. Dann ist der Blaue Finger über die Autobahn und über einen Steilhang ebenfalls in die Grube, hat zwei Polizei-Stopversuche umflossen und ist nah beim zweiten Förderband gelandet.

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Als letztes wurde etwas massenhaft ausgeweitet, was einige schon in den letzten Jahren im Rheinland angefangen haben: Über die Hälfte der Aktivist*innen hat sich der Personalienfeststellung entzogen und war ohne Ausweise und Angaben in der Aktion. Die Polizei war damit einfach nur überfordert und mussten die Leute am Ende ohne Personalienfeststellung wieder raus lassen. Was uns sehr glücklich gemacht hat.

Spannend war auch zu sehen, welche thematische Breite die Leute mitgebracht haben. Es ging einfach nicht nur um Kohle versus Erneuerbare. Die Situation von Geflüchteten war genauso Thema wie die Notwendigkeit jetzt einen Strukturwandel in den Kohlegebieten einzuleiten, anstelle die Leute mit einem “weiter so” irgendwann in die Arbeitslosigkeit zu treiben. Es ging auch viel darum, dass Regierungen und Verhandlungen es nicht richten werden, wir deshalb jetzt selbst Hand anlegen müssen. Natürlich war die internationale Dimension und Climate Justice großes Thema und nicht zuletzt eine Abkehr von Wachstumswahn und damit letztlich dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell.

Ein kleiner Video- Eindruck von der Aktion von Graswurzel-TV.

RWE hat angekündigt Leute, die eine Personalienangabe gemacht haben, wegen Hausfriedensbruch anzuzeigen, dazu gibt es z.B. bei Tagesschau einen guten Kommentar.

Wir werden die Repression nutzen um zum nächsten Schlag gegen RWE auszuholen. Niemand bleibt damit allein! Es wäre super, wenn Leute dafür schon mal Geld spenden, mit dem wir die Prozesse unterstützen können und jedes Verfahren zu einem Tribunal gegen die Energiekonzerne machen.

Kontoinhaber: EG
Betreff: Spende
IBAN: DE 9543 0609 6740 1803 6801
BIC: GENODEM1GLS

Meiner Einschätzung nach war Ende Gelände ein Meilenstein in Sachen Selbstermächtigung und Internationalisierung für die Klima- und Umweltbewegungen. Schon dieses Wochenende geht Lebenslauteerneut an die Kante und tagtäglich stellen sich die Wald-Besetzer*innen im Hambacher Forst dem Ausbau der Todes-Gruben in den Weg.
Am 7. & 8. November lädt Ende Gelände zur Aktionskonferenz nach Leipzig, um den nächsten Schritt zu planen. Wir haben keine Zeit mehr zu warten: Klimaschutz ist Handarbeit!

Jonas Baliani, Interventionistische Linke