Just Recovery action in Bangladesh

Gemeinsamer Brief an die Regierungen der G20-Staaten

Sehr geehrte Finanzminister*innen, Notenbankgouverneur*innen und Staatschef*innen der G20-Staaten,

beim G20-Treffen, bei der Sondertagung des Europäischen Rats und in anderen nationalen und internationalen Gremien werden Sie diese Woche erörtern, wie mit der Pandemie und der sich ausweitenden Wirtschaftskrise umzugehen ist. 

Man wird über die Verwendung mehrerer Billionen Dollar öffentlicher Gelder diskutieren und weitreichende Pläne erörtern. Was Regierungen, Finanzinstitute, Aufsichtsbehörden und Investor*innen jetzt entscheiden, wird unsere Welt auf Jahrzehnte hinaus prägen. 

Die COVID-19-Pandemie erteilt uns eine Lehre über die Bedeutung von Fürsorge, Gleichheit und Ausgewogenheit. Nahezu alle Länder und alle Gemeinschaften sind von der Gesundheitskrise betroffen. Das Virus macht keine Unterschiede in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht oder Gesellschaftsschicht – im Gegensatz zu den von Menschen geschaffenen Strukturen. Wie bei der Klimakrise, die sich immer mehr verschärft, werden Arme, Schutzbedürftige, Frauen und Ausgeschlossene besonders hart getroffen.

Wir erleben, wie die gewohnten Abläufe auf nie dagewesene Weise durcheinandergebracht werden. Gleichzeitig wirft die Pandemie immer wieder ein Schlaglicht auf die krassen Ungleichheiten und die Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Krankheit und Schulschließungen verstärken Ungleichheiten in Gesundheitsversorgung und unbezahlter Pflegearbeit, die zu 70% von Frauen erbracht wird. Hunderte Millionen Menschen geraten in Armut und erleben Hunger. Die meisten Regierungen verfügen nicht über die Ressourcen, die zur Bewältigung dieser gewaltigen Herausforderung notwendig sind. 

Nun stehen Sie alle vor einer grundlegenden Entscheidung. Dieser Moment wird entweder als der Moment in die Geschichte eingehen, in der Sie sich der Verantwortung wirklich gestellt haben – oder als der Moment, in dem Sie dem Druck mächtiger Eliten nachgegeben, unsere öffentlichen Mittel zur Stützung bestimmter Interessengruppen verwendet oder einfach versucht haben, den früheren Status quo wiederherzustellen und die Ungleichheit zu verstärken.

Wir brauchen einen gesunden, grünen, feministischen, gerechten Weg aus der Krise. Das bedeutet, dass die Wirtschaft auf eine Weise wiederaufgebaut wird, die allen zugutekommt. Es bedeutet fortschrittliche Steuerreformen, damit in den Zugang aller Menschen zu Gesundheitsfürsorge, Bildung, sozialer Sicherung und einer gesunden Umwelt als grundlegendes Menschenrecht investiert wird und dieser gewährleistet ist. Es bedeutet, dass Arbeitnehmer*innenrechte geschützt und mehrere Millionen fair bezahlte Stellen in Branchen geschaffen werden, die zur tiefgreifenden Dekarbonisierung beitragen und weder Umwelt noch Menschen schaden. Es bedeutet, Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass Pflegekräfte angemessen bezahlt werden und sichere Arbeitsbedingungen haben – während der Krise, vor allem aber langfristig. Es bedeutet, gleichberechtigtere, feministische Volkswirtschaften aufzubauen, die männliche und weibliche Pflegepersonen durch bezahlten Urlaub aus gesundheitlichen, familiären oder medizinischen Gründen unterstützen. Und es bedeutet, national und global gerechte Lösungen im Hinblick auf die Klimakrise umzusetzen, damit niemand allein mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen muss. 

Ein solcher gerechter Wiederaufbau ist nur möglich, wenn die Länder mit niedrigerem Einkommen von der Belastung durch Strukturanpassungsprogramme und Schulden befreit werden, sodass sie die Ressourcen für die unmittelbaren Anforderungen aufgrund der Pandemie, aber auch für den langfristigen Systemwandel hin zu CO2-armen Volkswirtschaften und Energiesystemen aufbringen können. Außerdem müssen zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und Organisationen, die die Mächtigen zur Verantwortung ziehen und sich für die Ausgegrenzten einsetzen, unbedingt an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Und sie müssen durch die Achtung bürgerlicher Freiheiten ihre Aufgabe ungefährdet wahrnehmen können.

Als Entscheidungsträger*innen der reichsten Länder der Welt wird von Ihnen erwartet, dass Sie diese Entscheidungen im Interesse der Allgemeinheit treffen. Die Billionen Dollar sind unser Geld. Es geht um unser Leben. Unsere Zukunft steht auf der Kippe. Es ist Ihre Verantwortung gegenüber heutigen und künftigen Generationen, das Allgemeinwohl verlässlich zu schützen.

Dennoch sind bereits riesige Summen öffentlicher Gelder in die Unterstützung von Kohle-, Öl- und Gaskonzernen und anderen umweltverschmutzenden Branchen geflossen, meist ohne Knüpfung an Bedingungen. Statt in eine bessere Zukunft zu investieren, zerren Sie uns zurück in die Vergangenheit. 

Doch wir nähern uns einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. 

Deshalb rufen wir, die Unterzeichner*innen, Sie zum Handeln auf. 

Sie haben noch Zeit, die richtige Entscheidung zu treffen und dafür zu sorgen, dass die Ressourcen zur Bewältigung der Krise darauf verwendet werden, Ungleichheiten zu verringern, Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten, Ungerechtigkeit wiedergutzumachen, strukturellen Rassismus zu erkennen und ihm ein Ende zu setzen und den Klimawandel und damit das Absterben ganzer Ökosysteme zu verhindern. 

Die einzige akzeptable Reaktion auf die Covid-19-Krise besteht darin, Wiederaufbauprogramme zu verabschieden, mit denen die Missstände in unserer Gesellschaft behoben werden – und mit denen wir uns auf den Weg in eine gerechtere, nachhaltigere Zukunft für alle Menschen machen.

 

Unterzeichner*innen: 

May Boeve, geschäftsführende Direktorin von 350.org
Julia Sánchez, Generalsekretärin, ActionAid
Lidy Nacpil, Asian Peoples Movement on Debt and Development
Pascal Vollenweider, Leiter der Klimakampagne, Avaaz
Rajiv Joshi, Gründer, Bridging Ventures
Kieran Suckling, geschäftsführender Direktor, Center for Biological Diversity
Amanda Mukwashi, CEO, Christian Aid
Lysa John, Generalsekretärin, CIVICUS
Tasneem Essop, geschäftsführende Direktorin, Climate Action Network (CAN)
Catherine Abreu, geschäftsführende Direktorin, Climate Action Network Canada
Luisa Neubauer, Fridays For Future Deutschland
Beckie Malay, Salina Sanou und Riccardo Moro, gemeinsame Vorsitzende, Global Call to Action Against Poverty (GCAP)
Fatima Ibrahim, Green New Deal UK 
Jennifer Morgan, Geschäftsführerin, Greenpeace International
Yeb Saño, Director, Greenpeace Southeast Asia
Nnimmo Bassey, Director, Mother Earth Foundation 
Sarah-Jayne Clifton, Director, Jubilee Debt Campaign
José Maria Vera, geschäftsführender Direktor (Interim), Oxfam International
Tzeporah Berman, Programmdirektorin, Stand.Earth
André-Yanne Parent, geschäftsführende Direktorin, The Climate Reality Project Canada