Von Melanie Mattauch, 17. August 2015
Am frühen Samstagmorgen machten sich rund 1.500 Teilnehmer*innen des Klimacamps im Rheinland auf den Weg. Sie wollten versuchen, in den Braunkohletagebau Garzweiler einzudringen und die riesigen Kohlebagger zu stoppen.
Die Braunkohlegruben und Kraftwerke des Energieversorgers RWE im Rheinland sind der größte Verursacher von CO2-Emissionen in Europa. Dort stehen drei der fünf umweltschädlichsten Kraftwerke Europas.
Der Plan, die dreckigsten Kohlekraftwerke mit einer CO2-Abgabe zu belasten, wurde von der deutschen Regierung vor Kurzem beerdigt. Stattdessen akzeptierte sie eine von den großen Betreibern RWE und Vattenfall vorgeschlagene „Kapazitätsreserve“, die dazu führt, dass Verbraucher*innen und Steuerzahler*innen die Umweltverschmutzer dafür bezahlen müssen, dass sie ein paar Kraftwerke stilllegen und als Reserve vorhalten, und die zudem weit weniger CO2 einspart, als nötig wäre.
Die Menschen sind nicht mehr bereit zuzusehen, wie Politiker*innen mit den Umweltverschmutzern gemeinsame Sache machen und nichts gegen den Klimawandel unternehmen. Deshalb kamen sie aus ganz Europa ins Rheinland, um in einem gemeinsamen Akt des zivilen Ungehorsams zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter!“ Oder: „Ende Gelände!“
Die Aktivisten teilten sich in Gruppen auf und näherten sich dem Tagebau von verschiedenen Seiten. Um in die Grube zu gelangen, mussten sie eine Autobahn und mehrere Absperrungen der Polizei überwinden. Es waren 1.000 Polizisten vor Ort, zusätzlich zum privaten Sicherheitsdienst der RWE.
Stellenweise reagierte die Polizei auf die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich zur Gewaltlosigkeit bekannt hatten, völlig unverhältnismäßig mit sofortigem massivem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken. Die Teilnehmer*innen blieben friedlich und versuchten, die Situation zu deeskalieren.
Zwei Kletterer seilten sich von einer Brücke über die Autobahn ab, um sie kurzfristig zu blockieren und so der letzten Gruppe, die es noch nicht auf die andere Seite geschafft hatte, den sicheren Übergang zu ermöglichen.
Rund 1.000 Menschen schafften es, in den Tagebau zu gelangen und RWE dadurch zur Stilllegung der Bagger zu zwingen. Der Bagger 228 ist 220 Meter lang und das größte Landfahrzeuge der Welt.
Einer Gruppe gelang es, auf einen der Bagger zu klettern. Andere Gruppen waren stundenlang von der Polizei eingekesselt, während die Bagger um sie herum stillstanden. Die Förderbänder wurden gestoppt und der gesamte Betrieb im Tagebau wurde zeitweise eingestellt. Journalisten wurden des Platzes verwiesen.
Von allen fossilen Brennstoffen schadet Braunkohle dem Klima am meisten. Der Widerstand vor Ort gegen die von den Kohlefeldern ausgehende Wasser- und Luftverschmutzung, die Zwangsumsiedlung ganzer Gemeinden und die Umweltzerstörung ist groß. In den letzten drei Jahren haben Graswurzel-Aktivistinnen und -Aktivisten wiederholt den Hambacher Forst besetzt, um dessen Abholzung für die Erweiterung der Tagebaue aufzuhalten.
Die Polizei brauchte lange, um die Aktivistinnen und Aktivisten wegzutragen. Sie arbeitete mit dem privaten Sicherheitsdienst der RWE zusammen und benutzte Fahrzeuge der RWE, die die Grube befahren können. Am Nachmittag versammelten sich 800 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung außerhalb des Tagebaus.
Bis zum Abend hatten alle Aktivistinnen und Aktivisten den Tagebau verlassen oder waren weggetragen worden. 240 von ihnen wurden auf örtliche Polizeiwachen gebracht. Alle, die an der Aktion beteiligt waren, wurden noch am Abend freigelassen. Die RWE ließ verlauten, sie prüfe 797 Klagen wegen Hausfriedensbruchs.
Die Leute kehrten bester Stimmung in das Camp zurück, auch wenn einige von ihnen durch Pfefferspray und Polizeiknüppel Verletzungen davongetragen hatten. Viele der Teilnehmenden waren zum ersten Mal bei einem Akt des zivilen Ungehorsams dabei. Ein Teilnehmer sagte bei seiner Rückkehr von der Aktion, er habe zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, wirklich stark zu sein..