Veronika hatte das Gefühl, sie könnte mehr machen. Ihre Großeltern hatten einst deutsche Flüchtlinge beherbergt, die vor dem nationalsozialistischen Regime in die heutige Tschechische Republik flüchteten. Letztendlich, so erzählt sie, waren es ihre Großeltern, die sie inspirierten mehr zu machen, und Teil der Klimabewegung zu werden.
Ende Juni war Veronika eine von hunderten Aktivist*innen beim tschechischen “Klimakemp”. Durch Zivilen Ungehorsam stoppten sie für 12 Stunden erfolgreich die Kohleförderung des Bilina Braunkohletagebaus. “Limity jsme me”, hieß das Camp, übersetzt heißt das: “Das Limit sind wir”.
Limits sind in der tschechischen Energiepolitik ein präsenter Begriff. Als die tschechische Regierung 1991 sogenannte Förderlimits festlegte, sollten das Klima, aber auch umliegende Dörfer und Kommunen vor einer zerstörerischen Ausweitung der Braunkohlegruben geschützt werden. Das damals beschlossene Förderlimit hätte bedeutet, dass die Braunkohleförderung in der Region am nordwestlichen Rand Tschechiens etwa im Jahr 2022 beendet wäre.
Und doch standen Veronika und so viele weitere Menschen dieses Jahr in der Grube und sagten: “Wir sind das Limit”. Denn wiederholt hat die Regierung in den letzten Jahren in Erwägung gezogen, die Förderlimits aufzuheben, und den Weg frei zu machen, für weitere 740 Millionen Tonne Braunkohle. Ein endgültiges Datum für das Ende der Forderung gibt es bis heute auch nicht. Die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich, so Umfragen, für die Förderlimits und damit den Schutz der umliegenden Dörfer und Kommunen aus.
Für 12 Stunden waren Veronika und ihre Mitstreiter*innen in der Grube das Limit. Sie kamen aus allen Teilen Tschechiens und Europas angereist. Sie standen gemeinsam für das Klima und die Dörfer ein – in weißen Maleranzügen und mit Atemmasken gegen den Kohlestaub.
Pödelwitz liegt nur zwei Stunden von dem Tagebau bei Bilina entfernt, auf der deutschen Seite der Grenze. Fachwerkhäuser, Dorfplatz, Naturidylle. Pödelwitz gibt es schon seit 700 Jahren. Heute leben dort nur noch 30 Menschen. Der Rest: Zwangsumgesiedelt und vertrieben. Vertrieben, von der Braunkohleförderung im anliegenden Tagebau, der sich Jahr für Jahr, Stück für Stück durch die Landschaft frisst – bis an die Grenzen des Dorfes.
Von 28. Juli bis 5. August werden hier mehr als 1000 Menschen zum Leipziger Klimacamp erwartet. Sie tuen sich zusammen – zum einen für das Klima und die Zukunft des Planeten. Und zum anderen für Pödelwitz, und tausende Dörfer und Gemeinden weltweit, denen durch die unablässige Gier nach Kohle durch die Energiegiganten ein ähnliches Schicksal droht.
Seit dem ersten Klimacamp diesen Sommers, dem polnischen Camp in der Nähe der Stadt Konin, was auch das erste Klimacamp in der Geschichte Polens war, summt es in der europäischen Klimabewegung.
Auch nach dem tschechischen Klimacamp und dem anstehenden Camp in Pödelwitz geht es weiter: Der Baseler Ölhafen wird Mitte August Schauplatz der “Climate Games” sein. Mehr als ein Drittel der Importe in die Schweiz kommen hier an. Gemeinsam wird auch hier mobilisiert – für ein Ausstieg aus den Klimakillern.
In Groningen, in den Niederlanden kommen Menschen aus Europa zusammen um bei “Code Rood” gegen das größte Gasfeld der EU zu demonstrieren. In München findet Anfang September ebenfalls ein Klimacamp statt. Im Rheinland heißt es auch diesen Sommer zum 9. Mal “Ende Gelände!”. Ja wirklich, es summt, im Einklang.
Wenn Veronika von ihren Erfahrung erzählt, breitet sich ein Gefühl der Bestärkung aus. Von der Macht der Mobilisierungen, und von den Kräften, die entfaltet werden, wenn Menschen sich zusammentun und sich für das Klima und eine gemeinsame Zukunft stark machen.
Den ganze Sommer über wird in Europa mobilisiert. In verschiedensten Formen wird das Summen lauter, bis es nicht mehr zu Überhören ist. Noch nie war es so leicht, sich Gleichgesinnten anzuschließen und durch Gemeinschaft, Kreativität und Vehemenz die Klimabewegung voran zu bringen.
Ein Überblick zu allen Klimacamps diesen Sommer:
Konin, Polen: Climate Camp 18.7.– 22.7.2018
Biliani, Teschchieine: “Das Limit sind wir” 21.6. – 25. 6.
Poedelwitz, bei Leipzig: “Klimacamp Leipziger Land” 28.7. – 5.8.
Basel, Schweiz: “Climate Games” 3.8.– 13.8.
Rheinland Klimacamp 11.8 – 22.8
Groningen, Niederlande: “ Code Rood” 4.8.– 31.8
Muenchen: “Klimacamp” 5.9. – 9. 9.