Die unter dem Titel REpowerEU veröffentlichte neue internationale Energiestrategie der EU fordert die Vereinigten Staaten, Kanada, einige afrikanische Staaten und die Golfstaaten auf, neue Gasreserven zu erschließen. Dieser Ansatz ist kurzsichtig und umweltzerstörend.
Die Europäische Union steckt aktuell angesichts des Krieges in der Ukraine und der vorhandenen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in einem Dilemma. Aber anstatt einen Weg einzuschlagen, der die Länder vor ähnlichen Krisen in der Zukunft schützt, hat sich die EU entschieden, auf Kuschelkurs mit der Kohle-, Öl- und Gasindustrie zu gehen. Die EU setzt auf eine kurzfristige Strategie, die auf lange Sicht zu verlorenen Vermögenswerten führen wird und nichts an der systemischen und existenziellen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ändert.
Obwohl es in dieser Zeit wichtig und richtig ist, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern, ist es absolut widersinnig, dies dadurch erreichen zu wollen, dass man andere Länder und insbesondere Länder des globalen Südens auffordert, mehr fossile Brennstoffe zu fördern. Das wird nicht nur dazu führen, dass das in der Strategie formulierte Ziel, den Gasbedarf bis 2030 um 30 % zu senken, nicht erreicht wird, sondern auch dazu, dass Entwicklungsländer auf Jahre von fossilen Brennstoffen abhängig sein werden.
Die Strategie fasst u. a. Länder wie Senegal, Angola und Nigeria ins Auge und spricht von „ungenutztem Potenzial“. Eine solche Wortwahl und die Absicht, fossile Brennstoffe aus Russland durch eine beschleunigte Entwicklung der Gasförderung in Afrika zu ersetzen, sind nichts anderes als die Fortsetzung von Europas unheilvoller Tradition imperialistischer Intervention und Ausbeutung in der Region.
Afrika ist bereits überproportional von den fatalen Auswirkungen des Klimawandels und von sozioökonomischen Herausforderungen betroffen. Eine Ausweitung der Förderung fossiler Brennstoffe wird die Situation noch verschlimmern. Die Pläne zur Ausweitung der Gasförderung in Afrika führen zu einer prekären Lage, durch die die Anstrengungen afrikanischer Staaten zunichtegemacht werden könnten, die dringend notwendige sozial gerechte Energiewende hin zu sauberer Energie zu vollziehen. Im Gegensatz dazu würden dezentrale Systeme erneuerbarer Energien die Auswirkungen des Klimawandels abschwächen, die Energiesicherheit erhöhen und zu positiven Folgeeffekten führen, um sozioökonomische Probleme in der Region zu bewältigen.
Lippenbekenntnisse reichen nicht. Wir brauchen Taten. Es wurden unzählige Versprechungen gemacht und viel darüber geredet, welche Vorteile der Ausbau erneuerbarer Energien bietet. Jetzt hat die Europäische Union die Gelegenheit, Worten Taten folgen zu lassen und einen echten Wandel anzustoßen. Es sollte Aufgabe der EU und der entwickelten Welt sein, eine grüne Energiewende in Entwicklungsländern zu unterstützen, die erneuerbare Energiequellen im Überfluss besitzen. Stattdessen macht die veröffentlichte Strategie deutlich, dass die EU nicht bereit ist, ihre Versprechen umzusetzen, und dass sie eher umweltzerstörende Industrien fördert, anstatt sich für die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Menschen einzusetzen, die sie vertritt.
In einer Zeit, in der Staats- und Regierungschef*innen weltweit vor enormen Herausforderungen stehen und die Weltordnung neu definiert wird, dürfen wir nicht ignorieren, dass diese Umstände auch die Möglichkeit bieten, die Menschen vor weiteren dramatischen Herausforderungen und Krisen zu schützen, die unweigerlich entstehen werden, wenn wir unsere Volkwirtschaften nicht endlich mit Nachdruck auf erneuerbare Energien umstellen.
Helfen kann nur eine schnelle und umfassende Umstellung auf die Entwicklung sauberer Energien und ein insgesamt niedrigerer Energieverbrauch. Jede andere Lösung ist unzureichend, um die miteinander zusammenhängenden Krisen, die durch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verschärft werden, zu bewältigen.