Sharm El Sheikh, Ägypten– Die letzten Tage der UN-Klimakonferenz stehen an und eine Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen warnt davor, dass die COP27 als gescheitert angesehen werden könnte. Währenddessen tobt die Debatte, ob die endgültige Abschlusserklärung der Konferenz Verpflichtungen zum Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen enthalten wird.
Am Mittwoch forderten Expert*innen die Entscheidungsträger*innen der COP27 bei einer Pressekonferenz auf, sich zu verpflichten, im endgültigen Text einen schnellen, gerechten und ausgewogenen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu gewährleisten, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
May Boeve, 350.org
“Wie so oft bei diesen Verhandlungen geht es auch bei dieser COP um alles oder nichts. Wir stehen wieder einmal an einem Scheidepunkt. Die Entscheidungen, die in den nächsten 48 Stunden getroffen werden, beeinflussen die Welt für die nächsten Jahre. Und genau das tut die Zivilgesellschaft heute: Sie fordert den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Heute ist der Tag, an dem wir, die Zivilgesellschaft, die Regierungen – in Aktionen, Pressekonferenzen und Nebenveranstaltungen – zur Rechenschaft ziehen. Wir fordern, dass ein ausgewogener, kontrollierter und gerechter Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen in der Beschlussfassung der COP27 enthalten sein muss. Wenn wir hier noch weniger als in Glasgow erreichen, sind wir gescheitert.”
Harjeet Singh, CAN International
“Wir sind gekommen, um Klimagerechtigkeit zu fordern. Doch wir wissen, was hier vorgeht. Es gibt mehr als 630 Lobbyist*innen für fossile Brennstoffe, die diese COP in eine Expo verwandelt haben und die Klimakrise verschlimmern. Die fossile Industrie ist direkt verantwortlich für den Tod und die Zerstörung, die wir auf der ganzen Welt sehen. Dabei profitiert diese Industrie von der Krise und macht obszöne Gewinne. Derzeit wird der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen in der Abschlusserklärung nicht erwähnt. Es müssen aber Kohle, Öl und Gas erwähnt werden. Es ist an der Zeit, die Länder in die Verantwortung zu nehmen, die sich der Aufnahme dieser endgültigen Regelung entgegenstellen.”
Omar Elmawi, Stop EACOP, 350.org
“Ich bin hier mit einer klaren und einfachen Botschaft: Es ist inakzeptabel, riesige Projekte wie die geplante East African Crude Oil Pipeline (EACOP) auch nur in Erwägung zu ziehen. Schnelle und tiefgreifende Emissionssenkungen sind erforderlich, um katastrophale Klimaauswirkungen zu vermeiden. Wir akzeptieren nicht, dass Projekten für fossile Brennstoffe, einschließlich riskanter Gasentwicklungen, grünes Licht gegeben werden. Die Notwendigkeit, die Energiekrise zu bewältigen, darf nicht als Ausrede dienen. Diese Botschaft muss gehört und beherzigt werden. Es müssen Verpflichtungen eingegangen werden, solche Projekte zu stoppen. Die Finanzmittel sollten in eine sozial gerechte Transformation hin zu gemeinschaftlich betriebenen erneuerbaren Energien fließen. Wir brauchen echte Lösungen für den afrikanischen Kontinent.”
Luisa Nebauer, Fridays for Future, Deutschland
“Diese COP hat sich in ein fossiles Energietheater verwandelt. Ich kann nicht glauben, dass ich hier bin, zwei Tage vor dem Ende dieser Klimagespräche, und dafür kämpfen muss, dass das Ende der der fossilen Brennstoffe im finalen Beschluss festgelegt wird. Obwohl wir wissen, dass die Klimakrise durch fossile Brennstoffe verursacht wird. Nur weil sich einige führende Vertreter*innen der Industrie verletzt fühlen könnten, wenn wir ihnen sagen, dass die Ära der fossilen Brennstoffe vorbei ist, dass ihr Modell nicht funktioniert. Diese COP muss diejenige sein, wo wir Kohle, Öl und Gas ein Ende setzen.
Jo Sikulu, Pacific Climate Warriors, 350.org
“Die Botschaft der Menschen aus dem Pazifikraum ist sehr klar. Die fortgesetzte Förderung fossiler Brennstoffe wird uns weit über eine Erwärmung von 1,5 Grad hinausbringen, was intensivere Wirbelstürme, mehr Überschwemmungen und einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben wird, was unsere Küsten und Häuser zerstört. Wir sind es leid, ständig davon zu erzählen, wie die Klimakrise uns betrifft. Trotzdem zeigt sich der Pazifikraum weiterhin als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Tuvalu und Vanuatu waren die ersten Staaten, die sich für einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe eingesetzt haben, und wir sind hier, um ihnen zu zeigen, dass der Pazifikraum hinter ihnen steht. Wir müssen das 1,5-Grad-Ziel in dem COP27- Beschluß beibehalten und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen fordern. Diejenigen, die in den Entscheidungsgremien sitzen, müssen das Gleiche tun, denn 1,5 Grad Erwärmung sind nicht nur ein Ziel, sondern auch eine Grenze.”
David Tong, Oil Change International
“Von Fachleuten geprüfte Forschung zeigt, dass Öl- und Gasfelder sowie Kohleminen, die bereits vor 2022 in Betrieb oder im Bau waren, über genügend fossile Brennstoffreserven verfügen, um die Erderwärmung weit über 2ºC, geschweige denn 1,5ºC, hinauszutreiben. Trotzdem genehmigt die Kohle-, Öl- und Gasindustrie immer wieder neue Förderprojekte, die zu noch mehr Klimaschädigung führen. Ein neues Briefing von Oil Change International zeigt, dass neue Öl- und Gasförderprojekte, die bis 2022 bereits genehmigt wurden oder in den nächsten drei Jahren genehmigt werden könnten, insgesamt 70 Milliarden Tonnen neuer Kohlenstoffverschmutzung verursachen könnten – das entspricht 17 Prozent des weltweit verbleibenden Kohlenstoffbudgets für 1,5°C. Und das ist nur die neue Produktion. Die Produktion, die Anfang 2022 im Gange ist, reicht bereits aus, um die 1,5ºC zu übersteigen.”
Die gute Nachricht ist, dass fast 85% davon noch keine endgültige Genehmigung erhalten haben. Die endgültigen Investitionsentscheidungen sind noch nicht getroffen worden. Die Menschen und Communities wehren sich. Denn die Projekte können noch gestoppt werden. Die Regierungen müssen ihren Teil dazu beitragen. Die Regierungen müssen mit gerechten Übergangsmaßnahmen aus den fossilen Brennstoffen aussteigen. Es ist zu spät, einen fossilen Brennstoff nach dem anderen zu bekämpfen. Ausstieg aus dem Öl. Ausstieg aus Gas. Ausstieg aus der Kohle. Schreibt es in den Text.