von Aaron Packard, 11. Dezember 2015

1,5 °C sind besser für uns alle, aber das bedeutet: Wir müssen mehr fossile Brennstoffe im Boden lassen
In Paris wurde ein altes Ziel neu in die Debatte geworfen: 1,5 Grad Celsius. Diese Zahl war jahrelang im Gespräch, aber nur eine Koalition aus kleinen Inselstaaten und besonders verwundbaren Ländern hat wirklich darauf gedrungen. Neuerdings wird dieser Koalition von Ländern wie Kanada, Australien, Frankreich, China und den USA der Rücken gestärkt. Die Chancen stehen gut, dass dieses Ziel in den Schlusstext der Pariser Verhandlungen aufgenommen wird. Drei wichtige Dinge, die man über diese Zahl wissen muss:

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Das Beste daran: 1,5 °C sind besser für uns alle – nicht nur für kleine Inselstaaten

Das 1,5-Grad-Ziel wird normalerweise genannt, weil flache Atolle damit eine größere Überlebenschance hätten als mit dem 2-Grad-Ziel. Das ist wahr. Verschwiegen wird bei dieser Geschichte allerdings, dass eine Erwärmung um 2 Grad ungeheure Schäden verursachen würde, und zwar nicht nur in kleinen Inselstaaten, sondern auch in großen Industrienationen. Wir müssen uns klarmachen, dass die 2 Grad noch nie für Klimasicherheit standen – sie sind nur die Schwelle zwischen einem „gefährlichen“ und einem „extrem gefährlichen“ Klimawandel.

Eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad würde bedeuten, dass Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt größere Chancen hätten, zu überleben und sich weiterzuentwickeln. Egal ob es um schwere Dürren, Überschwemmungen, die Verbreitung von Krankheiten, die Stärke von Taifunen oder den Anstieg des Meeresspiegels geht: Unumstößliche wissenschaftliche Studien sagen uns, dass die Schäden bei einer Erderwärmung von unter 1,5 Grad erheblich geringer sein werden.

1,5 Grad sind besser für uns alle, und wir sollten den kleinen Inselstaaten wie den Marshallinseln für ihren immensen Kampfgeist danken, mit dem sie die 1,5 Grad wieder in die Diskussion gebracht haben.

Auch 1,5° Erderwärmung sind enorm schädlich

Dieses Jahr wurde bekannt, dass sich die Erde durch den Menschen seit 1880 um mehr als 1 Grad erwärmt hat. Die Kosten dieser Erwärmung sind immer besser dokumentiert, und sie tun weh.

In einer Studie, die von Wissenschaftler*innen der Columbia-Universität veröffentlicht wurde, wird beispielsweise festgestellt, dass sich die Trockenzeit in Kalifornien zwischen 2012 und 2014 um 8 bis 27 % verlängert hat. Allein in diesem Jahr hat die kalifornische Dürre den Staat 2,7 Mrd. Dollar gekostet und zum Verlust von 21.000 Arbeitsplätzen geführt. Darüber hinaus brachte sie für Tausende Menschen enorme Härten und persönliche Belastungen mit sich.

Gleichzeitig herrscht in Äthiopien und einem großen Teil des Horns von Afrika derzeit die schlimmste Dürre seit 50 Jahren. Man geht davon aus, dass im nächsten Jahr die Nahrung für 10,1 Millionen Menschen gefährlich knapp werden wird und 400.000 Kinder von akuter Unterernährung bedroht sein werden. Dass sich die Dürre in Äthiopien zuspitzt, ist überwiegend auf die Erderwärmung zurückzuführen.

Alle extremen Wetterereignisse spielen sich heute vor dem Hintergrund eines wärmeren, feuchteren und mit mehr Energie aufgeladenen Klimas ab.

1,5 °C sind nur zu erreichen, wenn die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben.

Diese Feststellung ist kurz und knapp, aber die Politik, die ihre Umsetzung behindert, ist hässlich und hat eine lange Geschichte. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist nur eines nötig: die fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen – und zwar alle.

Nach dem 5. Sachstandsbericht des IPCC dürfen die Kohlendioxid-Emissionen im Zeitraum von 2011 bis 2100 insgesamt 550 Gigatonnen (Gt) CO2 nicht überschreiten, wenn die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent auf 1,5 °C begrenzt werden soll.

Würden bis 2050 alle fossilen Brennstoffreserven verbrannt, würden wir 2900 Gigatonnen CO2 ausstoßen. Dazu kommt, dass wir durch Abholzung und Zementproduktion erhebliche Mengen CO2 freisetzen und der Anstieg anderer Treibhausgase wie Methan es noch erheblich schwieriger macht, unter 1,5 Grad zu bleiben.

Ich habe mal eben ein bisschen gerechnet: Um die Erderwärmung mit einer Chance von 50:50 auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, müssen nach meiner (eher konservativen) Schätzung 85–90 Prozent der fossilen Brennstoffvorkommen im Boden bleiben. Zugleich müssen wir durch Förderung neuer CO2-Senken die massive Abholzung rückgängig machen und die landwirtschaftlich bedingten Emissionen reduzieren. Tun wir das nicht, müssen noch mehr fossile Brennstoffe im Boden bleiben.

In The Hindu hat eine Gruppe Wissenschaftler*innen beschrieben, wie groß diese Herausforderung tatsächlich ist:

„Der CO2-Spielraum für das 1,5-Grad-Ziel ist so eng, dass die Industrieländer ihre Emissionen in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf Null bringen müssen. Entwicklungsländer werden ein bisschen mehr Zeit haben, aber ihre Entwicklungsmöglichkeiten werden dann so eng begrenzt sein, dass sie in puncto Finanzen, Technologie und Kapazität massiv unterstützt werden müssen, um ihren grundlegenden Bedarf an Entwicklung und Armutsbekämpfung abzudecken, ohne die erlaubte CO2-Emissionsgrenze zu überschreiten.“

Es braucht eine unglaubliche politische Entschlossenheit, um unsere globale Energiewirtschaft derart schnell und radikal zu sanieren. Das 1,5-Grad-Ziel mag im Schlusstext von Paris stehen, doch leider fehlen die Maßnahmen, um es zu erreichen. Deshalb wird 350.org seinen Einsatz dafür, dass fossile Brennstoffe im Boden bleiben, in den Monaten nach Paris verstärken. Macht euch bereit und helft uns beim Aufbau einer globalen Klimabewegung!