350.org ist im Vergleich zu anderen NGOs eine kleine Organisation mit wenigen Mitarbeiter*innen und trotzdem sehr ambitionierten Zielen. 2018 bestand unser Team in Deutschland aus zwei Personen, die Divestment-Kampagne war in vollem Gange und wir wollten möglichst viele Menschen empowern, eigene schlagkräftige Kampagnen durchzuführen, um klarzustellen, dass das fossile Zeitalter ein Ende hat. 

Fossil Free Gruppen an vielen Orten Deutschlands und weltweit forderten ihre Städte, Unis oder Kirchen auf, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren, was sie meist über Aktien, Fonds oder direkte Beteiligungen beispielsweise an RWE taten (und zu oft noch bis heute tun). Um ihre Kampagnen zu gewinnen, brauchten Fossil Free Gruppen viele unterschiedliche Kampagnenfähigkeiten: z.B. Medienarbeit, Organisieren von direkten Aktionen, Gruppenaufbau oder die effektive Nutzung sozialer Medien. Von 2014 bis 2018 befähigten wir die Aktiven mit Trainings und Workshops, die von uns Mitarbeiter*innen oder vom freiberuflichen Trainings-Team gegeben wurden. Doch die Gruppen brauchten auch individuelle Unterstützung, Beratung und Hilfe, um erfolgreiche Kampagnenstrategien zu entwickeln, persönliche Hürden oder externe Herausforderungen zu überwinden. Diese Form der Unterstützung hatten bis 2018 die hauptamtlich tätigen Mitarbeiter*innen von 350.org gegeben. 

Die wachsende Zahl der Fossil Free Gruppen und die Ambitionen von 350.org machten es aber nötig, dass andere Unterstützungsformen für die Fossil Free Gruppen gefunden wurden. So entstand die Idee eines Movement Support Teams (MST). Das MST sollte selbst aus Aktivist*innen bestehen, die Lust hatten, ihre Erfahrungen an andere Menschen in der Klimabewegung weiterzugeben, Trainings und Beratung anzubieten und dabei ihre eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. 

Die Gründung des Movement Support Teams fand bei einem Training in Berlin statt. Es waren nicht nur Leute aus der Klimagerechtigkeitsbewegung dabei. Wir hatten explizit auch Menschen aus anderen sozialen Bewegungen eingeladen, ihre Erfahrungen einzubringen. In den Wochen danach erarbeiteten wir gemeinsam eine Arbeitsstruktur und Ziele. Eine Schwierigkeit war, dass alles neu entwickelt werden musste. Auf dem Weg hin zu einem guten Arbeitsflow verloren wir einige Freiwillige. Es war außerdem schwierig, die Menschen aus anderen sozialen Bewegungen dafür zu begeistern, die Fossil Free Gruppen zu unterstützen. Die Divestment-Kampagne bat zu wenige Möglichkeiten andere Themen sozialer Gerechtigkeit einfließen zu lassen. Der Kampagnenrahmen war eng gesetzt und sprach ein bestimmtes Publikum an, das weniger von Armut, Diskriminierung, oder anderen Dingen betroffen war. 

Trotz allem konsolidierte sich das MST über die Zeit, entwickelte und gab Strategieworkshops oder Trainings, machte unzählige eins-zu-eins Gespräche mit Freiwilligen und begleitete diese auf ihrem Weg in die Klimagerechtigkeitsbewegung und zu erfolgreichen Divestment-Kampagnen.

Einmal im Jahr organisierte 350.org eine Fortbildung für das MST. Das Team konnte selbst bestimmen, welche Themen die Fortbildung beinhalten sollte. Außerdem gab es finanzielle Entschädigungen für diejenigen, die es sich sonst nicht leisten konnten, ehrenamtlich tätig zu sein. Alle Ausgaben, wie Reisekosten oder ähnliches wurden ebenfalls von 350.org getragen. 

Zu den Fortbildungen wurden immer auch neu interessierte Leute eingeladen. Oft war es für Menschen aus Fossil Free Gruppen besonders attraktiv in das MST zu kommen und so bereits gewonnene Erfahrungen weitergeben zu können und eigene Fähigkeiten auszubauen. Das stellte sicher, dass spezielles Divestment-Kampagnen-Wissen ins Netzwerk gestreut wurde und es eine hohe Identifikation zwischen Fossil Free Gruppen und MST gab. 

Das MST entwickelte im Laufe der Zeit eine tolle Eigendynamik. So wurde der Klimagerechtigkeits-Buchclub in die regelmäßigen Treffen eingebaut und so immer wieder über unterschiedliche Aspekte von Klimagerechtigkeit diskutiert. Außerdem entwickelte das MST aus Eigeninitiative das Klimagerechtigkeits-Kit, welches Gruppen dabei unterstützen soll, sich mit Fragen der Gerechtigkeit und Diskriminierung in ihren eigenen Gruppen und Kampagnen auseinander zu setzen. 

350.org fokussiert sich inzwischen nicht mehr auf dezentrale Divestment-Kampagnen, sondern auf zentrale Kampagnen zu fossilen Finanzen. Die aktuellen Ziele sind die Deutsche Bank und Regierungen, die die Macht haben, es für Banken wesentlich schwerer zu machen Geld in fossile Projekte und Unternehmen zu stecken. 

Deswegen gibt es das MST in seiner bisherigen Form nicht mehr. Doch einige Mitglieder sind weiterhin aktiv zu fossilen Finanzen und teilen ihre wertvollen Erfahrungen im Deutsche Bank Kampagnen-Team

Wir von 350.org möchten uns bei allen Mitgliedern des Movement Support Teams bedanken und empfehlen allen, dieses Modell des Organisings und Empowerns auszuprobieren. Es gibt immer erfahrene Aktive, die ihr Wissen weitergeben möchten, um den Aufbau von sozialen Bewegungen zu stärken. 

In diesem Sinne: Power to the People!