Heute ist ein trauriger Jahrestag, denn vor genau einem Jahr nahm der Krieg in der Ukraine seinen Anfang. Als ukrainische Umweltjuristin und Klima-Campaignerin habe ich am 4. März 2022, in den ersten Tagen der brutalen russischen Invasion, die Kampagne “Stand With Ukraine” ins Leben gerufen.

Los ging es mit einem Brief und der Aufforderung an führende Politiker*innen in aller Welt, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden, durch die sich Putins Krieg finanziert. Die Aktion war ein großer Erfolg: Es wurden Unterschriften von über 860 Organisationen aus 60 Ländern gesammelt, und zahlreiche Staaten erließen wirkungsvolle Sanktionen gegen fossile Brennstoffe aus Russland. Dies trug zur Eindämmung der Geldströme bei, die Putins Krieg finanzieren. Die Kampagne hat außerdem auf der ganzen Welt die Revolution der erneuerbaren Energien beschleunigt. So wurde 2022 weltweit mehr für den Übergang zu sauberem Strom ausgegeben als jemals zuvor: 1,1 Billionen US-Dollar, davon 495 Milliarden US-Dollar für Sonnen- und Windenergie. In der EU wurden Solaranlagen mit einer Leistung von 41,4 Gigawatt installiert – genug für 12,4 Millionen Haushalte. Und wir haben eine neue schlagkräftige NGO mit Sitz in der Ukraine gegründet, Razom We Stand.

Wir fordern ein vollständiges Embargo und die Durchsetzung von Sanktionen gegen fossile Brennstoffe aus Russland, die Beendigung sämtlicher Investitionen in die russische Energie-Infrastruktur sowie den weltweiten Stopp jeglicher Produktion von fossilen Brennstoffen. Nur so können wir dafür sorgen, dass der russischen Kriegsmaschinerie das Geld ausgeht – und gleichzeitig den weltweiten Übergang von kriegsbefeuernden fossilen Brennstoffen hin zu sauberen Erneuerbaren und Energie-Unabhängigkeit beschleunigen.

Wir, die Menschen der Ukraine, kämpfen weiter. Wir kämpfen für unser Recht zu existieren, wir kämpfen, um unser Land zu verteidigen, wir kämpfen für die Sicherheit unseres Volkes und den Erhalt unserer Werte, die für alle Ukrainer*innen von zentraler Bedeutung sind.

Den Wiederaufbau können wir aber nicht verschieben, bis wir gesiegt haben. Die Infrastruktur der Ukraine – auch das Verkehrs- und das Energiesystem – wurde schwer beschädigt, und wir arbeiten täglich im ganzen Land daran, zentrale Infrastruktur wieder instand zu setzen.

Investitionen in Straßen, Brücken, Stromnetze und Projekte für erneuerbare Energie unterstützen Modernisierung und Optimierung unserer Infrastruktur, fördern Wirtschaftswachstum und -entwicklung und tragen zur nachhaltigen Sicherung von Stabilität und Wohlstand bei.

Vor dem Krieg erlebte die Ukraine einen erheblichen Kapazitätszuwachs bei den erneuerbaren Energien. Die Regierung des Landes hat sich das Ziel gesetzt, 25 Prozent seines gesamten Energiemix bis spätestens 2035 mit erneuerbaren Energien zu decken. 2009 machten diese rund 3 Prozent des Stromerzeugungsmix der Ukraine aus, Ende 2020 lag der Anteil bei 12,4 Prozent. Außerdem gibt es ein riesiges, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial erneuerbarer Energie aus Quellen wie Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse.

In Folge des russischen Einmarschs beobachten wir in der weltweiten Energiebranche aktuell tiefgreifende Veränderungen. Regierungen in aller Welt können dafür sorgen, dass nun endgültig die Wende hin zu einem umweltfreundlicheren Energiesystem gelingt, das bezahlbarer und sicherer ist.

Die Invasion der Ukraine wird zu Ende gehen. Politische Entscheidungsträger*innen und Drahtzieher*innen müssen jetzt handeln – und die mörderischen, mit Öl, Gas und Kohle erwirtschafteten Geldströme nach Russland und in alle anderen Teile der Welt stoppen.

So eröffnen wir der Ukraine und der ganzen Welt einen neuen Weg, der uns von den Fesseln der Diktator*innen befreit, deren Macht auf
fossilen Brennstoffen aufbaut – und der uns in eine Zukunft der erneuerbaren Energien führt.