Der Ausbau der erneuerbaren Energien vollzieht sich schneller, als irgendjemand vorhergesehen hat und verändert rasend schnell unser gesamtes Energiesystem. Wir bauen derzeit Anlagen, die uns nach dem Zeitalter der fossilen Brennstoffe mit Energie versorgen werden. Es geht hier aber nicht nur um Energiequellen und Emissionen.

Jene Energielösungen, die wir heute umsetzen, entscheiden darüber, ob wir versuchen, die Symptome eines ökonomischen Paradigmas abzuschwächen, die den Klimawandel und die außer Kontrolle geratene Ungleichheit weiter vorantreiben; oder ob wir grundlegend etwas verändern und den Übergang zu einem gerechten Wirtschaftssystem schaffen.

Es gibt unzählige Beispiele für zerstörerische und ausbeuterische Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien, die alles andere als gerecht sind.

 

Westsahara

Nehmen wir zum Beispiel einige Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, die Marokko als Gastgeber der COP22 stolz präsentiert hat. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht von Western Sahara Resource Watchwird kritisiert, dass diese Projekte zunehmend im besetzten Gebiet der Westsahara angesiedelt sind und somit den UN-Friedensprozess untergraben und die Ausbeutung der Bodenschätze weiter vorantreiben.

Der deutsche Mischkonzern Siemens hat sich mit der marokkanischen Regierung geeinigt, 22 Windkraftanlagen zu errichten, die Energie für Marokkos Phosphat-Exporte aus der Westsahara erzeugen.

Bild: Western Sahara Resource Watch

 

Sápmi, Arktis

In Nordeuropa stellen der Klimawandel, der Bergbau, Infrastrukturprojekte und auch Mega-Windparks eine ernsthafte Bedrohung für die Lebensgrundlage der indigenen Volksgruppe der Samen dar.

Die Samen haben sich gegen Windkraftanlagen auf ihrem angestammten Land gewehrt, da diese eine existenzielle Bedrohung für Rentier-Hirten darstellen.

Durch die Windparks können die Rentiere das Weideland und die Weidestrecken nicht mehr nutzen, wodurch das Risiko erhöht wird, dass wie auch schon in den letzten Jahren massenhaft Rentiere verhungern aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis.

Bild: Flickr/ Heather Sunderland

 

Philippinen

In den letzten verbleibenden natürlichen Wäldern in Cuernos de Negros in den Philippinen wurden 576 Bäume gefällt, um ein Geothermieprojekt weiter ausbauen zu können. Das für dieses Projekt verantwortliche Unternehmen wartet noch auf die Genehmigung einer weiteren Expansion, die zu noch mehr Abholzungen führen würde.

Das Projekt bedroht gefährdete Arten und eine wichtige Wasserquelle, auf die der gesamte südliche Teil der Provinz Negros Oriental angewiesen ist.

Mehrere Gruppen in den Philippinen berichten, dass Großprojekte zur Nutzung erneuerbarer Energien, die den lokalen Gemeinden und der Umwelt schaden, nach dem Pariser Klimaschutzabkommen verstärkt und aggressiv vorangetrieben werden.

Bild: Ein Blick in die Tiefen des Waldes von Cuernos de Negros

 

Erneuerbare Energieprojekte wie diese, die das Wohl der Menschen und unsere Umwelt ignorieren, machen deutlich, warum 100 % erneuerbare Energien nicht ausreichend sind. Wenn es trotz dieser sogenannten Lösungen weiterhin Ungerechtigkeit und Ungleichheit gibt, werden wir den Klimawandel nicht nachhaltig und schnell genug aufhalten können – und es wird erst recht keine Klimagerechtigkeit geben.

Jüngste politische Entwicklungen wie die Wahl eines Klimawandelleugners ins Weiße Haus, der Brexit und das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in zahlreichen europäischen Ländern halten uns vor Augen, dass es durch die Ungleichheit zu politischen Verhältnissen kommen kann, die Fortschritte beim Klimaschutz erschweren.

Es reicht nicht aus, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu ersetzen – die Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist noch größer. Wir brauchen Lösungen, die das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellen und die den Status quo unserer auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaft und unser kurzfristiges Denken angehen.

Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass es uns schlechter gehen wird, wenn wir weniger Energie verbrauchen oder unsere Wirtschaft schrumpft. Das bedeutet auch, dass wir grundsätzlich etwas an unserer Art der Fortbewegung, Arbeit und Lebensweise ändern müssen.

Der schnelle Übergang zu erneuerbaren Energien wurde „von unten“ von lokalen Gemeinden vorangetrieben, die sich selbst um ihre Stromversorgung kümmern. Das Geschäftsmodell der großen Unternehmen der Kohle-, Öl- und Gasindustrie ist hingegen überholt.

Kommunale, neuartige Initiativen zeigen uns einen nachhaltigen und gerechten Weg zum Klimawandel.

Demonstration für Klimagerechtigkeit, Marrakesch, COP22. Foto: Hoda Baraka

 

Wie nicht anders zu erwarten, legen Kohle-, Öl- und Gaskonzerne den kommunalen Projekten Steine in den Weg, um sie zum Scheitern zu bringen.

Deutschland, zum Beispiel, hat in den letzten Monaten ein Gesetz verabschiedet, das die wirtschaftlichen Risiken für Genossenschaften und Bürgerprojekte zur Nutzung erneuerbarer Energien dermaßen erhöht, dass viele Menschen nun vor derartigen Projekten zurückscheuen.

Oder nehmen wir die „Sonnensteuer“ in Spanien, die Haushalte bezahlen müssen, wenn sie ihren eigenen Solarstrom erzeugen.

Es liegt an uns, uns gegen dieses Vorgehen zu wehren, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und weiter die gerechten Lösungen voranzutreiben, die schon jetzt unsere Welt verändern.