Das Thema des Internationalen Frauentags 2024 lautet: „In Frauen investieren: Fortschritt beschleunigen“. Ein passendes Thema für ein Jahr, in dem die Festlegung eines klaren Plans zur Finanzierung der weltweiten Energiewende ganz oben auf der Klimaagenda steht. Nicht umsonst wurden die anstehenden Klimagespräche in Aserbaidschan schon als die „COP der Finanzierung“ bzw. als „The Finance COP“ bezeichnet. Es ist unbedingt notwendig, dass diese Verhandlungen zu einer klaren Roadmap führen, in der festgelegt ist, wie die internationalen Investitionen zur Finanzierung der Energiewende aussehen sollen, die diese Welt so dringend benötigt, insbesondere die Länder im Globalen Süden.
In dieser kritischen Phase der Geschichte der Menschheit ist die Führungsrolle von Frauen wichtiger denn je. Wir haben überall auf der Welt erlebt, wie inspirierende Frauen in Führungsrollen das afrikanische Sprichwort umgedreht haben, das da lautet: „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, dann gehe mit anderen.“ Stattdessen haben sie dafür gesorgt, dass sie gemeinsam mit ihren Communities schnelle Fortschritte gemacht und wichtige Ziele erreicht haben.
Hoang Thi Minh Hong ist eine dieser Frauen. Als erfahrene Aktivistin hat sie in den mehr als 25 Jahren ihrer Arbeit Großes für die Umwelt in ihrem Heimatland Vietnam und für die globale Klimabewegung erreicht. Hongs Führungsrolle, Mut und Errungenschaften sind nicht mit Auszeichnungen und Ehrungen aufzuwiegen.
Hong war die erste Person aus Vietnam, die 1997 einen Fuß in die Antarktis gesetzt hat. 2018 gehörte sie zu den ersten 12 Menschen aus insgesamt 12 verschiedenen Ländern, die ein Stipendium im Rahmen des „Obama Foundation Scholars Program“ an der Columbia University in New York City erhielten. 2019 wurde sie von Forbes Vietnam zu den 50 einflussreichsten Frauen Vietnams gewählt. Hong ist eine angesehene ehemalige Kollegin von uns bei 350.org. Im Anschluss an ihre Zeit bei 350.org gründete sie die gemeinnützige Organisation CHANGE. Dabei handelt es sich um eine Jugendbewegung. Anlass für die Gründung von CHANGE waren ihre Eindrücke von den Folgen der Klimakrise, die sie bei ihrem zweiten Besuch in der Antarktis 12 Jahre später erlebte.
Am 31. Mai 2023 wurde Hong unter dem falschen Vorwurf der Steuerhinterziehung in Ho-Chi-Minh-Stadt verhaftet. Diese Form der Anklage ist eine gängige Taktik, um in dem Land gegen unliebsame Umweltaktivist*innen vorzugehen. Im September 2023 wurde sie offiziell zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Damit gehört sie zu einer Gruppe von insgesamt sechs Umweltaktivist*innen, die wegen ihrer Kritik an der Umweltpolitik Vietnams inhaftiert sind. Die Ungerechtigkeit dieser Verhaftungen hat eine weltweite Solidaritätsbewegung mobilisiert: 350.org fordert zusammen mit einer Koalition aus Partner*innen die sofortige Freilassung aller in Vietnam inhaftierten Klimaaktivist*innen.
Hongs Verhaftung erfolgte nur wenige Monate, nachdem es Vietnam gelungen war, eine Finanzierungsvereinbarung abzuschließen, deren Ziel darin besteht, das Land von seiner Abhängigkeit von Kohle zu befreien und den Wandel hin zu einer Wirtschaft basierend auf erneuerbaren Energien zu erleichtern. Diese Vereinbarung wurde auf dem Rücken von Menschen wie Hong getroffen, die sich unermüdlich für eben diesen Wandel einsetzen. Die Einzelheiten des Programms „Partnerschaft für eine gerechte Energiewende“, das in großen Teilen von den USA mit einer Gruppe internationaler Partner*innen finanziert wird, wurden im Dezember letzten Jahres während des UN-Klimagipfels bekannt, als Vietnam den Ressourcenmobilisierungsplan vorstellte.
Die Bedenken hinsichtlich der Transparenz im Zusammenhang mit der „Partnerschaft für eine gerechte Energiewende“ in Vietnam wurden durch eine deutliche und beängstigende Beschneidung des demokratischen Raums im Land noch verstärkt. Da öffentliche Kritik an der Politik der Regierung zunehmend gefährlicher wird, sind eine gerechte und demokratische Teilhabe an der Entwicklung und Umsetzung politischer Lösungen, Verantwortlichkeit sowie die Forderung nach Transparenz wichtiger denn je.
Als Hong 2022 in einem Interview nach dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Geschlechtergleichstellung gefragt wurde, sprach sie darüber, dass Frauen von den Klimafolgen stärker bedroht sind. Forschungen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Frauen unverhältnismäßig stark von den zunehmenden und immer spürbarer werdenden Klimafolgen betroffen sind. Diese Realität lässt sich auch auf die nach wie vor vorherrschenden Geschlechterungleichheiten übertragen, die weltweit Gesellschaften geißeln. Da Frauen die Hauptverantwortung bei der Betreuung sowie bei der Beschaffung von Lebensmitteln und von Material zum Heizen und Kochen tragen, sind sie auch eher direkt von klimabedingten Katastrophen wie Dürre und Überschwemmungen betroffen. Außerdem machen sie 80 % der weltweiten Bevölkerung aus, die durch die Klimakrise bereits vertrieben wurden.
Das ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die, dass Frauen immer ihre Bereitschaft gezeigt haben, zu handeln und Wandel voranzutreiben. So sagte Hong, dass „in Vietnam Frauen viel aktiver in der Klimabewegung sind. In meiner NGO bestand das Team zu jeder Zeit zu 75 Prozent aus Mädchen. Und auch die meisten Gründer*innen und Leiter*innen von Umwelt-NGOs in Vietnam, die ich kenne, sind Frauen! Frauen packen an! Wir werden die Welt retten!“ Hong antwortete auf die Frage, wie sich die Geschlechtergleichstellung verbessern ließe, mit einem Zitat von G.D. Anderson: „Beim Feminismus geht es nicht darum, Frauen stärker zu machen. Frauen sind schon stark. Es geht darum, die Art und Weise zu ändern, wie die Welt diese Stärke wahrnimmt.“
Die direkten von Klimafolgen geprägten Erfahrungen von Frauen werden oft als eines der Hauptargumente genannt, weshalb wir in der Lage sind, die Führungsrolle im Kampf gegen das Klimachaos zu übernehmen und uns an die Folgen der Klimakrise anzupassen. Die Wahrheit ist aber, dass Frauen diese Fähigkeit nicht wegen dieser direkten Erfahrungen haben, sondern trotz dieser.
Weitere Fortschritte im Bereich der Geschlechtergleichstellung sind für eine gerechte, sichere und saubere Zukunft unerlässlich. Und das ist schließlich das gemeinsame Ziel der Klimabewegung. Wir erleben auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung, wie Frauen sich aus ihrer historischen Unterdrückung befreien und diesen Antrieb nutzen, um unsere Bewegung voranzubringen. Mehr noch: Die Welt fängt endlich an, diese Stärke zu erkennen, die es schon immer gab. Die Eignung von Frauen für Führungsrollen ist ein zentrales Element des Frauseins an sich und etwas, das es jeden Tag zu würdigen gilt.
Feier heute und jeden Tag die unglaubliche Kraft von Frauen und, ganz besonders am heutigen Tag, unsere Gefährtin Hoang Thi Minh Hong.