Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Taz am 10.12.2020.
2020 wurden viele Überzeugungen über Bord geworfen. Auch in den wichtigsten Zentralbanken der Welt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bis dato unvorstellbare Geldmengen in die Wirtschaft gepumpt und fürs Erste einen wirtschaftlichen Zusammenbruch verhindert. Allerdings zeigen Berechnungen, dass Unternehmen, die Umwelt und Klima zerstören, wohl mehr als 100 Milliarden Euro von der EZB erhalten. Wenn diese am Donnerstag über neue Coronahilfen entscheidet, muss klar sein: Die Bekämpfung der Coronakrise darf nicht die Klimakrise verschärfen.
Den Worten von EZB-Chefin Lagarde, dass Zentralbanken mehr für das Klima tun müssen, müssen Taten folgen. Sollten weitere Milliarden an Unternehmen wie Shell und Total fließen, ermöglichten EZB-Gelder zerstörerische Projekte im globalen Süden, die dort die Lebensgrundlagen der Bevölkerung gefährden. So beteiligt sich Shell am Fracking von Schieferöl in Argentinien und Total treibt den Bau der ostafrikanischen Pipeline EACOP voran.
Die Bank rechtfertigt ihre Käufe mit dem Gebot der Marktneutralität: Solange diese Firmen am Markt vertreten seien, müssten deren Anleihen gekauft werden, um Märkte nicht zu beeinflussen. Ökonomen kritisieren diese Logik schon zu normalen Zeiten. In einer Krise, in der die EZB Hilfen von über einer Billion Euro aufgelegt hat, ist das Argument, solche Summen verzerrten die Märkte nicht, haltlos.
Die Bank muss sicherstellen, dass die neuen Maßnahmen klimaverträglich sind. Besonderes Augenmerk liegt auf der Stimme des Bundesbankchefs Weidmann.
Weidmann ist einer der letzten Notenbanker, die sich gegen eine klimagerechtere Politik der EZB stellen. Am Donnerstag wird entscheidend sein, wer sich durchsetzt: Lagarde oder Weidmann. Ihr Treffen fällt nur zwei Tage vor das 5-jährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. Als EU-Institution ist die EZB den Pariser Klimazielen verpflichtet. Jetzt müssen Lagarde und die EZB zeigen, dass Klimagerechtigkeit für sie mehr als nur Rhetorik ist.