1. Sie heizt sich auf.
Im Moment liegt die globale Jahresdurchschnittstemperatur um etwa 1,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.
Ernährungskrise, Wassermangel, Vertreibungen, Konflikte. Die Auswirkungen der Klimakrise sind schon jetzt überall spürbar und treffen viele Menschen sehr hart. Besonders hart trifft es diejenigen, die an gefährdeten Orten oder unter prekären sozialen Bedingungen leben. Und gerade diese Menschen haben meist am wenigsten zur Verschärfung dieser Krise beigetragen.
Der Planet heizt sich auf und wir sind dran schuld. Wir sind es auch, die diese Krise bewältigen und allen eine lebenswerte, gerechte Zukunft ermöglichen müssen.
Im Moment liegt die globale Jahresdurchschnittstemperatur um etwa 1,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.
Die Erde hat sich immer wieder auf natürliche Weise aufgeheizt und wieder abgekühlt, aber nicht in dem Ausmaß, wie wir es heute erleben. Die 10 wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen wurden alle nach dem Jahr 2000 registriert, mit neuen Rekordwerten in jedem Jahr. Nach Angaben des IPCC „war in den letzten vierzig Jahren jedes Jahrzehnt seit 1850 wärmer als alle anderen davor.”
Der neueste Bericht des Weltklimarats (IPCC) über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeiten bestätigt: Wenn sich die Erde weiter in diesem Tempo erwärmt, könnte die 1,5-Grad-Grenze schon 2040 überschritten werden. Das ist in weniger als zwanzig Jahren, also noch zu Lebzeiten der meisten heute lebenden Menschen. Selbst wenn sich die Regierungen auf der ganzen Welt an ihre Zusage halten, die Emissionen bis 2030 zu senken, sind wir immer noch auf dem besten Weg, dass die Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts dennoch um 2,7 °C ansteigen.
Steigende Temperaturen bedeuten nicht nur, dass es heißer wird. Das Erdklima ist komplex — schon ein leichter Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur führt zu großen Veränderungen mit zahlreichen gefährlichen Nebenwirkungen und kann ganze Ökosysteme in die Knie zwingen. Studien zeigen, dass bei Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze mehrere „Kipppunkte” unseres Klimasystems erreicht werden könnten. „Diese Veränderungen können abrupte, nicht umkehrbare und gefährliche Auswirkungen mit schwerwiegenden Folgen für die Menschheit haben.”
Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 wurde eine Erwärmung um 1,5 °C als kritische Schwelle definiert. Für Millionen Menschen entscheiden aber schon kleinere Temperaturunterschiede über Leben und Tod. (Mehr darüber, warum wir unter 1,5 °C bleiben müssen, steht in unserem People’s Dossier zu 1,5 °C). Erwärmt sich die Erde wie prognostiziert um 2,7 °C, dann, so die Wissenschaftler*innen, wäre „die Hitze in den Tropen und Subtropen für mehrere Monate im Jahr nicht mehr auszuhalten. Die Artenvielfalt würde enorm dezimiert, die Lebensmittelversorgung wäre gefährdet und die meisten städtischen Infrastruktureinrichtungen könnten dem extremen Wetter nicht mehr standhalten.”
GRAFIK: NASA TIME SERIES: 1884 BIS 2021
Die Hauptursache des Klimawandels ist die Verbrennung fossiler Energieträger durch den Menschen. Die ansteigenden Temperaturen entsprechen ziemlich genau den freigesetzten Treibhausgasen.
Im 18. Jahrhundert begann im Westen die Industrialisierung und die Menschen fingen an, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Vor dieser Zeit lag der Kohlendioxidgehalt unserer Atmosphäre meist bei etwa 280 ppm (Millionstel). Das sind die Umweltbedingungen, „unter denen sich die Zivilisation entwickelt hat und an die das Leben auf der Erde angepasst ist.”
Mit der sich weltweit ausbreitenden Nutzung fossiler Brennstoffe steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre extrem an. 2002 lagen wir bei 365 ppm CO2 in der Atmosphäre und nur zwei Jahrzehnte später überschreiten wir den Wert von 420 ppm.
Zugleich führt die Nachfrage der reicheren Länder nach landwirtschaftlicher Tierhaltung zur raschen Zunahme weiterer Treibhausgase wie Methan und Stickoxiden. Etwa 15 % der globalen Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Doch der größte Einzelverursacher des Problems ist nach wie vor die Verbrennung fossiler Energieträger: 2021 wurden 89 % der Treibhausgasemissionen des Energiesektors durch fossile Brennstoffe verursacht. Dazu kommt noch, dass Kohlendioxid viel länger in der Atmosphäre aktiv bleibt als Methan und andere Treibhausgase.
Die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne holen Kohlenstoff aus der Erde, der sich dort über Millionen von Jahren in Form von fossilen Brennstoffen abgelagert hat, und blasen ihn als CO2 in die Atmosphäre. Das Beste, was wir tun können, um den Klimawandel aufzuhalten, ist, die fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen.
Quelle: NOAA
Die überwältigende Mehrheit von 99 % aller Wissenschaftler*innen ist sich einig, dass der Klimawandel durch die Treibhausgasemissionen der Menschheit verursacht wird. Es gibt keine relevanten Gegenargumente zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels.
Seit den 1980er-Jahren ist bekannt, dass ein Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre zur Klimaerwärmung führen wird. Die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft wird von Partikularinteressen angegriffen, allen voran von der Kohle-, Öl- und Gasindustrie, die immer noch Geld in Desinformationskampagnen pumpt und leugnet, was wir über den Klimawandel wissen. Allein in der Zeit zwischen dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und dem Jahr 2019 haben die fünf größten Ölriesen zusammen 1 Milliarde US-Dollar für irreführende Markenwerbung und Lobbyarbeit zum Klima ausgegeben.
Der Ölkonzern Exxon wusste schon in den 1970er-Jahren von den Auswirkungen des Klimawandels und kam zu dem Ergebnis, dass Gegenmaßnahmen seine Profite schmälern würden. Infolgedessen startete Exxon zusammen mit der gesamten Branche einen Angriff auf die Wahrheit und zettelte eine Verwirrungskampagne an, die jahrzehntelang verhindert hat, dass etwas dagegen getan wurde. Dasselbe gilt für Total Energies — Historiker*innen haben herausgefunden, dass der Ölriese schon vor 50 Jahren ganz genau wusste, dass sein Kerngeschäft die Erderwärmung verursacht. Trotzdem hat der Konzern die Wahrheit vertuscht, Falschinformationen finanziert und die eigenen Aktionär*innen ebenso belogen wie die Öffentlichkeit. Heute wissen wir, dass Exxon, Total und andere Konzerne seit Jahrzehnten daran arbeiten, ihre Infrastruktur vor dem Klimawandel zu schützen — während sie gleichzeitig alle Maßnahmen bekämpfen, die den Rest der Menschheit schützen könnten.
Exxon will, dass wir deren Märchen glauben — aber das hieße, die Wissenschaft und die Betroffenen der Lüge zu bezichtigen. Indigenes, überliefertes und lokales Wissen sagt uns, dass sich das Klima verändert und unser Umgang mit dem Planeten nicht nachhaltig ist. Über 24 % der am besten geschützten Gebiete auf dem Planeten werden von den örtlichen Kommunen oder von indigenen Gesellschaften verwaltet. Ailton Krenak, indigener Aktivist und Schriftsteller aus Brasilien, schreibt: „Manche Leute glauben, der Klimawandel sei etwas, was erst noch auf uns zukommt, aber in unseren Wäldern leben wir damit schon seit Langem. […] Überall auf der Erde beruht unsere Lebensweise auf der ständigen Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur. Alle indigenen Gemeinschaften reagieren jeweils auf ihre eigene Weise auf die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen durch koloniale Prozesse. Dabei beziehen wir uns auf das, was von unseren Erinnerungen und Traditionen noch übrig ist. Dies prägt unser Bild vom Kosmos und bestärkt uns in unserem Widerstand.”
Wenn wir nicht auf die Täuschungsmanöver der Kohle-, Öl- und Gasindustrie hereinfallen, sondern auf das hören, was uns Wissenschaft und Betroffene erzählen, dann gibt es keinen Zweifel: Der rasant voranschreitende Klimawandel ist von Menschenhand gemacht und verursacht auf der ganzen Welt schon jetzt hohe Kosten — wirtschaftlich, ökologisch, gesellschaftlich und individuell. Aufhalten lässt er sich nur, wenn die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben und wir auf schnellstem Weg eine saubere, gerechte Zukunft mit erneuerbarer Energie für alle anstreben.
Die ‘Debatte’ ist VORBEI. Wissenschaftler*innen demonstrieren für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Bildquelle: Road to Paris
Schon die Erwärmung um „nur” 1,1 °C hat verheerende Auswirkungen für zahlreiche Menschen und den Planeten. Einige von uns sind besonders schwer davon betroffen.
Dem neuesten IPCC-Bericht über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeiten zufolge leben etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen in einer Situation, in der sie vom Klimawandel besonders betroffen sind. In dem Bericht steht außerdem, dass bis zum Jahr 2100 möglicherweise 50 bis 75 % der Weltbevölkerung zeitweise lebensbedrohlichen klimatischen Verhältnissen, vor allem massiven Hitzeperioden und Regenfällen, ausgesetzt sein werden.
Der Anbau von Nahrungsmitteln wird durch die Erderwärmung sehr stark beeinträchtigt. So gehen etwa Getreideernten zurück. Eine unsichere Ernährungslage und Wassermangel können zu humanitären Krisen, Konflikten und Vertreibungen führen, wovon verschiedene Regionen in ganz unterschiedlichem Maße betroffen sein werden — unverhältnismäßig starke Auswirkungen sind derzeit besonders in Teilen Afrikas, Asiens, Mittel- und Südamerikas, auf kleinen Inseln und in der Arktis zu beobachten.
Die Jahreszeiten verändern sich und werden immer unberechenbarer. Dadurch wissen viele Landwirt*innen kaum noch, wann die richtige Pflanzzeit ist und wann sie ernten sollen. Projektionen zeigen: Selbst wenn wir bis 2100 bei ungefähr 1,5 °C bleiben, werden sich 8 % des heutigen Ackerlandes nicht mehr für die Landwirtschaft eignen. Auch die Fischerei in den tropischen Gebieten Afrikas wird Einbußen in Höhe von 3 % bis zu 41 % hinnehmen müssen. Dadurch wird sich die Ernährungskrise weiter verschärfen, weil die Tier- und Pflanzenwelt des Meeres für etwa ein Drittel der Menschen auf diesem Kontinent die wichtigste Proteinquelle darstellt.
Das soziale Ungleichgewicht wird sich sowohl innerstaatlich als auch international mit den Auswirkungen der Klimakrise verschärfen. Wahrscheinlich werden die Klimafolgen — Nahrungs- und Wassermangel, Armut, Gesundheitsprobleme, klimabedingte Konflikte und Gewalt — verwundbare Bevölkerungsgruppen am stärksten treffen, „darunter Frauen, junge Menschen, ältere Menschen, ethnische und religiöse Minderheiten, indigene Gemeinden und Geflüchtete”.
Nach Auffassung des IPCC könnte der Unterschied zwischen 1,5 und 2 °C Temperaturanstieg bedeuten weit über 10 Millionen Migrant*innen zusätzlich aufgrund der steigenden Meeresspiegel. Überall auf der Welt haben Menschen das Recht, nach den bestmöglichen Bedingungen für ein gutes Leben zu suchen. Aber seit 2008 mussten schon mehr als 20 Millionen Menschen pro Jahr wegen der Klimafolgen (hauptsächlich Überschwemmungen und Stürmen) ihre Heimat unfreiwillig aufgeben.
Es ist unausweichlich und eminent wichtig, sich an diese und andere neue Realitäten, die aus dem Klimachaos erwachsen, anzupassen. Aber auch hier zeigt sich die weltweite Ungleichheit. Die Hilfsmaßnahmen sind uneinheitlich und ungleich verteilt. Die Wissenschaft sagt: „Es gibt immer noch gravierende Anpassungsdefizite, besonders in einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen. Beim derzeitigen Planungs- und Umsetzungstempo werden diese Anpassungsdefizite immer größer [und] die Welt ist zurzeit nicht auf die kommenden Klimafolgen vorbereitet, insbesondere nicht, wenn die Erderwärmung auf über 1,5 °C steigt.”
Die Klimawissenschaft lässt keinen Zweifel. Neue Studien und Berichte bestätigen, was wir seit Jahrzehnten wissen: Die zunehmende Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse ist eine Folge des Klimawandels. Das ist schlimm für uns alle, und für manche ist es noch schlimmer.
Bildunterschrift: Die interaktive Karte zeigt, wie der Klimawandel Extremwetterereignisse auf der ganzen Welt beeinflusst. Quelle: CarbonBrief
Dass Intensität, Dauer und Häufigkeit von Hitzewellen, Dürrenperioden und Flächenbränden durch die Erderwärmung verstärkt werden, gehört zu den eindeutigsten Erkenntnissen der Klimawissenschaft.
Bildunterschrift: 2022 herrschten in Europa extreme Temperaturen, wobei London (Vereinigtes Königreich)
mit 40 °C im Sommer den Rekord hielt. In Spanien und Portugal wüteten Waldbrände, deretwegen
mehrere zehntausend Menschen evakuiert werden mussten. Bildquelle: NOAA
Die Atmosphäre und die Ozeane unseres Planeten erwärmen sich zehnmal schneller, als es in den vergangenen 65 Millionen Jahren jemals der Fall war. Dies hat sich besonders in den letzten 20 Jahren bemerkbar gemacht.
Bildunterschrift: Regionen, in denen die Dürren aufgrund des Klimawandels voraussichtlich schlimmer werden, sind auf der Karte braun eingefärbt. Quelle: IPCC
Die Erderwärmung sorgt dafür, dass die Dürren schlimmer werden. Eine wärmere Atmosphäre entzieht dem Boden mehr Wasser. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit für Trockenheit und erhöhten Pflanzenstress. Die Vereinten Nationen haben gewarnt, dass im Jahr 2022 „über 50 Millionen Menschen in Ostafrika durch akute Ernährungsunsicherheit gefährdet sein werden”, nachdem es zuvor vier Jahre lang zu wenig geregnet hat. Für viele Länder in der Region war es die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Wenn wir die Emissionen nicht sofort und wesentlich reduzieren, dann müssen wir davon ausgehen, dass bis 2100 ein Drittel der weltweiten Landfläche von mindestens mittelschweren Dürren betroffen sein wird.”
Auch Flächenbrände sind ein Indikator für die rasante Aufheizung unserer Atmosphäre. Im neuesten IPCC-Bericht heißt es, dass „auf einem Viertel der natürlichen Landflächen der Erde die Waldbrandsaison heute aufgrund höherer Temperaturen, Trockenheit und Dürre länger andauert.”
2021 haben die Rekordtemperaturen zusammen mit einer um 30 % erhöhten Bodentrockenheit in der Türkei dazu geführt, dass plötzlich viel größere Waldflächen als sonst in Flammen standen. Auch im US-Bundesstaat Kalifornien wüten Flächenbrände seit einigen Jahren länger und stärker als früher. In Brasilien wurden 2020 mehr als 200.000 Flächenbrändegezählt, hauptsächlich im Pantanal, im Cerrado und im Amazonas-Gebiet — 15 % mehr als im Jahr davor. Mit zunehmender Tendenz.
An Land spüren wir die zunehmende Hitze, aber der größte Teil der zusätzlichen Wärmeenergie unserer Atmosphäre wird tief in unseren Ozeanen gespeichert. Dort führt sie zu rasanten Veränderungen und dem Niedergang wichtiger Ökosysteme.
Bildunterschrift: Aufgrund der Erderwärmung schrumpft die arktische Meereisfläche im Sommer um 12,6 % pro Jahrzehnt. Quelle: NSIDC/NASA
Seit 1955 wurden über 90 Prozent der Energie, die mit den erhöhten Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre gelangte, von den Meeren absorbiert — die Ozeane erwärmen sich seither deutlich schneller.
Weil sich die Ozeane und die Atmosphäre aufheizen, schmelzen die weltweiten Eismassen ab — von den Gletschern über die Arktis bis zur Antarktis. Dies beschleunigt den Anstieg der Meeresspiegel, vermindert die Reflexion der Sonnenenergie von der Erdoberfläche zurück ins All und gefährdet einzigartige Ökosysteme.
Seit Beginn der Satellitenbeobachtung vor 4 Jahrzehnten nimmt das Meereis in der Arktis dramatisch ab. Pro Jahrzehnt gehen 13 % davon verloren. Die gesamte arktische Region verändert sich drastisch, der Lebensraum zahlloser Arten und die Lebensgrundlagen vieler indigener Communities sind bedroht. Extreme „Schneesturmwinter” hängen, ebenso wie tödliche Hitzewellen und starke Überschwemmungen im Sommer, sehr wahrscheinlich mit dem raschen Temperaturanstieg in der Polarregion zusammen.
Mit den steigenden Meerestemperaturen verändert sich auch der antarktische Eisschild, wenn auch nicht so schnell wie die Arktis. Als größter Süßwasserspeicher der Welt könnte die Antarktis die Meeresspiegel massiv ansteigen lassen: bis zu einer Erwärmung von 1,5 Grad Celsius kaum, bei über 2 Grad Celsius jedoch sprunghaft zunehmend auf mindestens 2 Meter. Aber wir können etwas dagegen tun und der Unterschied ist beachtlich: Wenn wir ab sofort handeln und die fossilen Brennstoffe im Boden lassen, wird der antarktische Eisschild im Großen und Ganzen intakt bleiben.
Auch Gletscher reagieren sehr sensibel auf Temperaturveränderungen und schwinden infolge des Klimawandels überall auf der Welt unumkehrbar. Die Gletscherschmelze im Himalaya, in den Anden, in der Arktis, in den neuseeländischen Südalpen und anderswo ist ein enormer Kostenfaktor und eine Gefahr für Mensch und Natur, denn für viele Städte und Ökosysteme auf der ganzen Welt bilden sie das ganze Jahr über ein wichtiges Wasserreservoir.
Wenn sich Wasser erwärmt, dehnt es sich aus. Neben dem vermehrten Wasserzufluss durch das abschmelzende Polar- und Gletschereis ist dieses simple Phänomen der Motor, der die Meeresspiegel so rasch ansteigen lässt. Schon ein leichter Anstieg des Meeresspiegels führt zu dramatischen Schäden und Veränderungen, weil Spring- und Sturmfluten weiter ins Landesinnere vordringen.
Projektionen zeigen, dass „extreme Änderungen des Meeresspiegels, die früher etwa alle hundert Jahre einmal vorkamen, bis zum Ende dieses Jahrhunderts jedes Jahr eintreten könnten”, und das an mehreren Orten der Welt. Derzeit steigt der Meeresspiegel um etwa 3,7 mm/Jahr, aber die Anstiegsgeschwindigkeit nimmt zu und addiert sich zu den jährlichen Schwankungen.
Wenn wir die fossilen Brennstoffe im Boden lassen und die Erderwärmung auf weniger als 2 °C begrenzen, dann haben wir eine Chance, den Meeresspiegelanstieg bis 2100 auf etwa 50 cm einzudämmen.37 % der Weltbevölkerung leben in Küstennähe, es steht also viel auf dem Spiel.
Es gibt keinerlei Anzeichen, dass in den vergangenen zehntausend Jahren und wahrscheinlich noch viel länger eine weltweite Korallenbleiche aufgetreten ist. Das änderte sich erst in den 1980er-Jahren. Erst seit 35 Jahren kommt es immer wieder zu solchen Ereignissen. Vom Great Barrier Reef bis zu den Andamanen im Indischen Ozean bleichen die einst farbenprächtigen Korallenriffe, die voller Leben waren, erst aus und werden dann schmutzig braun — abgestorben und von Algen überwachsen. (Informiere dich hier über unsere Kampagne Tatort Korallenriff.) )
Riffe sind Lebensräume für annähernd 25 % aller im Meer lebenden Arten. Ein massives Korallensterben bedroht die Lebensgrundlagen von einer Milliarde Menschen auf der ganzen Welt, die direkt oder indirekt von diesen Ökosystemen leben. Werden die Treibhausgasemissionen nicht eingedämmt, dann werden innerhalb weniger Jahrzehnte die meisten Korallenriffe der Welt absterben.
Stürme, Hurrikane und Taifune hat es schon immer gegeben, doch mit dem menschengemachten Klimawandel führen sie heute zu intensiveren Regenfällen, mehr Überschwemmungen, heftigeren Sturmfluten und stärkeren Winden.
Im sechsten IPCC-Sachstandsbericht heißt es: „Auf einem Großteil der Landoberflächen, für die gute Beobachtungsdaten vorliegen, sind Rekordwerte an täglichen Niederschlagsmengen von erhöhter Intensität und Häufigkeit festzustellen. Dies lässt sich nur mit dem menschengemachten Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre erklären.” Der Zusammenhang ist eindeutig: Mit jedem Grad, um das sich die Atmosphäre weiter erwärmt, steigt ihr Wasserdampfgehalt um etwa 7 %. Mehr Wasserdampf in der Atmosphäre bedeutet mehr Energie, diese wiederum führt zu mehr Niederschlägen und ändert die Positionen der Gebiete, wo die Stürme auftreten.
In Pakistan wurden im Jahr 2022 33 Millionen Menschen von tödlichen Überschwemmungen heimgesucht, nachdem der Monsun dem Land fast 800 % mehr Niederschläge als sonst beschert hatte. In Deutschland und den Niederlanden forderte 2021 eines der schwersten Regenereignisse seit hundert Jahren über 200 Menschenleben und setzte ganze Ortschaften unter Wasser. 2016 führte das ungewöhnlich warme Meerwasser in der Karibik dazu, dass Hurrikan Matthew unglaublich schnell an Fahrt aufnahm. Matthew entwickelte sich innerhalb von nur 36 Stunden von einem tropischen Sturm zu einem Sturm der (höchsten) Kategorie 5 und richtete auf seinem Zug über Haiti, Kuba und die Bahamas bis zum Südosten der Vereinigten Staaten verheerende Schäden an.
Der Preis für die weitere Verbrennung fossiler Brennstoffe ist ganz klar: — Stürme, Hurrikane, Taifune und Zyklone werden mehr Todesopfer fordern und größere Schäden verursachen. Fossile Brennstoffe im Boden zu lassen ist der beste Weg, Menschen vor unermesslichen Zerstörungen zu schützen.
Das Klima durchdringt unser Leben in all seinen Facetten. Die Folgen der Erderwärmung werden unser Wohlergehen vielfach beeinträchtigen und am schlimmsten trifft es verwundbare Bevölkerungsgruppen.
Der Klimawandel gilt als eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit. Der Weltgesundheitsorganisation zufolgewird er zwischen 2030 und 2050 jedes Jahr wahrscheinlich rund 250.000 Todesopfer fordern, insbesondere durch Unterernährung, Malaria, Durchfall und Hitzebelastung.
Bildunterschrift: Der Klimawandel wirkt sich direkt und indirekt auf die Gesundheit aus. Quelle: WHO
In einem wärmeren Klima ist es schwieriger, Lebensmittel anzubauen, zu transportieren und zu lagern. Auch die Qualität und Verfügbarkeit von Wasser wird durch den Klimawandel beeinträchtigt. Diese Entwicklungen werden arme Bevölkerungsschichten am härtesten treffen und die Ungleichheit weltweit und auch innerhalb der einzelnen Staaten verschärfen. Im neuesten IPCC-Bericht heißt es, dass im Jahr 2050 zwischen 8 und 80 Millionen Menschen Hunger leiden werden, die meisten davon in Afrika südlich der Sahara, Südasien und Mittelamerika. Außerdem „werden bei einer Erwärmung um 2 °C weltweit zwischen 800 Millionen und 3 Milliarden Menschen wegen Dürre unter chronischem Wassermangel leiden. Bei einer Erwärmung um 4 °C wird diese Zahl auf annähernd 4 Milliarden steigen.”
Zu den offensichtlichsten Folgen der Klimaerwärmung gehört auch die Hitzebelastung. Der Anteil der Weltbevölkerung, der tödlicher Hitze ausgesetzt ist, wird bis 2100 auf jeden Fall steigen — von 30 % heute auf 48 bis 76 %. Wie viele es schließlich sein werden, hängt aber davon ab, wie weit wir die Emissionen senken können. In Europa zum Beispiel wird die Zahl der von Hitzebelastung bedrohten Menschen in einer um 3 °C wärmeren Welt zwei- bis dreimal so hoch sein wie bei einer Erwärmung um 1,5 °C. Hitzebelastung reicht von Flüssigkeitsmangel über Organversagen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Tod und trifft ebenfalls die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen wie Frauen, ältere und in Armut lebende Menschen am stärksten.
Bildunterschrift: Die Weibchen der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) können das Zika-Virus übertragen. (Foto: Janes Gathany/CDC) Quelle:PHIL
Durch den Temperaturanstieg nehmen auch die Verbreitungsgebiete von Krankheiten wie Zika, Malaria und Denguefieber zu, die durch Mücken übertragen werden. In einem Bericht der Fachzeitschrift Lancet von 2022 heißt es: „Die Zeitspannen, in denen Malaria übertragen werden kann, haben sich gegenüber den 1950er-Jahren im amerikanischen Hochland um 32 % und in Afrika um 15 % verlängert.” Auch ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit Denguefieber zu infizieren, im gleichen Zeitraum um 12 % gestiegen. Und der sechste Sachstandsbericht des IPCC besagt, dass „bei einem Erwärmungsszenario im mittleren Bereich bis 2080 voraussichtlich 1 Milliarde Menschen, im hohen Bereich 5 Milliarden Menschen zusätzlich dem Risiko einer Infektion mit Denguefieber ausgesetzt sein werden.”
Extreme Wetterereignisse (Überschwemmungen, Wirbelstürme, Hitzewellen oder Flächenbrände) führen zum Anstieg von Gewalt und „können posttraumatische Belastungsstörungen, Angstzustände und Depressionen auslösen.” Immer mehr Menschen werden durch extremere Wetterbedingungen ihre Häuser, Firmen und Leben verlieren. „Das alles hat gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, die oft über lange Zeit anhalten.” Wenn wir uns organisieren und uns zusammenschließen können wir gemeinsam dafür sorgen, dass künftige Generationen noch ein gutes Leben haben können.
Die Erwärmung der Atmosphäre verändert den Verlauf der Jahreszeiten und die Verteilung von Lebensräumen. Wärmere Klimazonen wandern in Richtung der Pole.
In einer Untersuchung von 976 Pflanzen- und Tierarten wurde festgestellt, dass 47 % davon wegen klimabedingter Veränderungen von ihrem Standort verschwunden sind. Und der jüngste IPCC-Bericht über Auswirkungen, Anpassung und Verwundbarkeit lässt keinen Zweifel: „Die Bedrohung von Arten und Ökosystemen in den Meeren, Küstenregionen und an Land, insbesondere an den Hotspots der Biodiversität, ist eine globale Gefahr, die mit jedem weiteren Zehntelgrad Erwärmung zunimmt.”
Durch häufigere, heftigere und länger anhaltende Hitzewellen, Flächenbrände, Dürren und Überschwemmungen geraten viele Tier- und Pflanzenarten an ihre Toleranzgrenzen bzw. an den Rand ihrer Anpassungsfähigkeit — oft auch darüber hinaus. Und es ist nicht „einfach” so, dass zum Beispiel die Eisbären aussterben — Ökosysteme sind untereinander vernetzt und die Ausrottung oder Abwanderung einer einzigen Art kann unerwartete und unberechenbare Dominoeffekte auslösen. Das alles wirkt sich auf den Menschen aus, weil die Natur durch solche Störungen immer mehr von ihrer Fähigkeit verliert, „die unverzichtbaren Leistungen zu erbringen, ohne die wir nicht überleben können — wie zum Beispiel den Schutz der Küsten, das Nahrungsangebot oder die Regulierung des Klimas durch Aufnahme und Speicherung von CO2.”
Schon jetzt ist weltweit etwa die Hälfte aller Arten auf die eine oder andere Art geschädigt. Tiere und Pflanzen verlagern ihre Lebensräume in Richtung der Pole, in höhere Lagen oder tiefere Gewässer, um den extremen Wetterbedingungen auszuweichen. Etwa 12 % der 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde sind vom Aussterben bedroht und befinden sich in einem massiven, raschen, nie da gewesenen Prozess des Niedergangs, der auch auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Studien zeigen, dass ihr Anteil umso größer wird, je mehr sich die Erde aufheizt: Bei einer Erwärmung um 2 °C bis 2100 werden etwa 18 % aller Landlebewesen vom Aussterben bedroht sein. Eine Erwärmung um 4,5 °C jedoch „gefährdet etwa die Hälfte aller heute bekannten Tier- und Pflanzenarten”..
Naturschutz und Klimakrise gehen Hand in Hand. Die Natur leidet unter den Klimafolgen, der Naturschutz ist aber auch Teil der Lösung, wenn die Menschen eine lebenswerte Zukunft haben sollen. Die Wissenschaft sagt: „Wenn wir geschädigte Ökosysteme wiederherstellen und 30 bis 50 Prozent der Lebensräume an Land, in den Süßgewässern und Meeren wirksam und nach Gerechtigkeitskriterien unter Schutz stellen, dann kann die Gesellschaft davon profitieren, dass die Natur in der Lage ist, CO2 zu absorbieren und zu speichern.”
Der Klimawandel verändert schon jetzt die Jahreszeiten, schädigt Lebensräume, verschiebt Klimazonen, verursacht Artensterben und bringt Landwirt*innen in Existenznot. Wichtige Lebensräume und Lebensgrundlagen lassen sich am besten dadurch schützen, dass fossile Brennstoffe im Boden bleiben.
Das sind die harten Fakten der Klimakrise: Soll die Erderwärmung auf unter 1,5 °C begrenzt werden, muss der allergrößte Teil der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen im Boden bleiben, und das wird die Kohle-, Öl- und Gasindustrie nicht kampflos zulassen.
Hier aber die gute Nachricht:
Die Klimakrise ist real und betrifft uns alle, aber nicht alle leiden gleichermaßen darunter. Sie verschärft die Ungleichheit und berührt alle Aspekte unseres Lebens: Ernährung, Arbeit, Gesundheit, Menschenrechte. Nur Lösungen, die auf Gerechtigkeit beruhen und Menschen und Gesellschaften in den Vordergrund stellen, sind echte Lösungen. Eine Welt ohne fossile Brennstoffe schafft auch mehr Gerechtigkeit: gleiche Rechte für Menschen aller Geschlechter und Hautfarben, mehr Rechte für Migrant*innen und Arbeitnehmer*innen, mehr soziale Rechte — auf einzelstaatlicher wie auf internationaler Ebene.
Wir bei 350.org glauben an ein sicheres Klima und an eine bessere Zukunft, in der sich alle Menschen entfalten können — und setzen uns dafür ein. Dabei brauchen wir dich!