von Zeph Repollo, 15. Oktober 2015

Dieser Text wurde netterweise von Danny Gronmaier, und Dora-Maria Sonderhoff übersetzt und von Melanie Mattauch Korrektur gelesen.

Die Lumad, die das Land ihrer Vorfahren auf den Philippinen vor Interessen der Bergbauindustrie zu schützen versuchen, sind mit einer neuen Art des Grauens konfrontiert. Heute gibt es 680 Lumad, die als Landflüchtlinge in Davao City wohnen, weil sie ihre vom Terror heimgesuchten Gemeinden in Bukidnon, Mindanao, verlassen mussten. Auf einem Spielfeld des städtischen Sportgeländes von Suragio del Sur in Tandag, Surigao, haben mehr als 3000 Personen Zuflucht gesucht.

(c) Loi Manalansan

(c) Loi Manalansan

„…bewaffnete Männer haben alle gezwungen, raus zu gehen. Vor all jenen, die auf dem Basketballfeld versammelt waren, saß mein Vater (Dionil Campos). Sie fingen an zu schreien —weil ihr diesem Mann glaubt und euch den Bergwerken widersetzt, bleiben wir arm; wir könnten alle besser leben! Alle runter!— schrien sie und fingen an, über unsere Köpfe zu schießen. Dann wurde das Gewehr auf meinen Vater gerichtet und ihm aus nächster Nähe in den Kopf geschossen…”, erinnert sich Michelle an den Vorfall vom 1. September 2015.

„Wie trauert man, wenn eine auf brutale Weise getötete Person ein guter Freund ist? Jemand, mit dem zusammen man sich um die Lumad gekümmert hat?” Schwester Stella Matutina spricht mit zitternder Stimme und versucht, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie ist Benediktinernonne, deren Mission es ist, den Lumad in Mindanao zu dienen. Ihr Freund Emok Samarca, Leiter der ALCADEV (Alternative Learning Center for Agriculture and Development, Inc), einer Schule für die Lumad, wurde am selben Tag erschossen.

 (c) Philippine Online Chronicles

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„Schaut, dass ihr hier rauskommt. Ich habe meine Träume gelebt. Ich will, dass ihr eure lebt.” Das waren die letzten Worte von Tatay Emok, als er versuchte, seine Schüler, die Zeugen seiner Gefangennahme durch die paramilitärischen Mahagat-Bagani wurden, zu beruhigen. Tatay Emoks Traum, sagen seine Schüler, war immer der Aufbau eines Bildungszentrums für die Kinder der Lumad gewesen. Aber genau in jener Schule, der er sein Leben gewidmet hatte, wurde er dann mit Messerstichen im Nacken und einer durchgeschnittenen Kehle gefunden.

„…und Bello…Bello wurde in eine Wanne gezerrt. Er wurde geschlagen, sein Arm wurde gebrochen, dann wurde auf ihn geschossen.” Gary Payac, ein Lehrer von ALCADEV, wurde Zeuge wie bewaffnete Männer Datu Bello Sinzo, einen Ältesten der Manobo, auf brutale Weise schlugen.

(c) Pinoy Weekly

(c) Pinoy Weekly

Die Manobo, einer von 18 Lumad-Stämmen im philippinischen Mindanao, leben seit hunderten von Jahren in einem der letzten intakten Regenwaldgebiete des Pantaron-Gebirges. Heute aber wird dieses Gebiet von Konzessionen bedroht, die es möglich machen, 9000 Hektar davon für Minenarbeiten und 6000 Hektar für den Goldabbau auszubeuten. Auf 2000 Hektar haben die Minenarbeiten bereits begonnen.

Mindanao liegt im südlichen Teil der Philippinen, welcher eines der größten Mineralvorkommen der Welt beherbergt. Die Zahl der Bewilligungen für Minenarbeiten liegt aktuell bei 131, und 80 Prozent davon liegen in den Gebieten der Ureinwohner.

Die Interessen der Bergbauindustrie verbreiten in Mindanao überall Angst und Schrecken. Zeugen und Opfer beschuldigen die von den philippinischen Streitkräften (AFP) organisierten paramilitärischen Gruppen, die ihre Mitglieder aus den Lumad-Gemeinden rekrutieren.

Datu-Guibang-Apoga1

(2011 Bulatlat File Photo)

 

Das Philippinische Bergbaugesetz von 1995

Am 6. März 1995 beschloss die philippinische Regierung den „Republic Act 7942”, der auch als das Philippinische Bergbaugesetz von 1995 bekannt ist. Zwei der vielen Nachteile dieser Gesetzgebung für die philippinische Bevölkerung ist die Liberalisierung und die damit einhergehende Fremdverwaltung der inländischen Minen-Industrie und die Reduzierung der Verbrauchssteuer auf 2%, den niedrigsten Steuersatz in ganz Asien. Damit wurde den Interessen aus- und inländischer Kapitalanleger, die größtenteils darauf aus sind, die Gebiete der indigenen Bevölkerung auszubeuten, Tür und Tor geöffnet.

 

(c) Kalikasan PNE

(c) Kalikasan PNE

Trotz der tapferen Versuche der indigenen Bevölkerung, ihre Gebiete zu verteidigen, und trotz ihrer Forderung an die philippinische Regierung, die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker von 2007, die für alle UN-Mitgliedstaaten verbindlich ist, zu respektieren und durchsetzen, halten die gewalttätigen Übergriffe auf den Gebieten ihrer Vorfahren weiter an.

Die UN-Erklärung enthält einen Schutz-Paragraphen, der fordert, dass ein „fairer, unabhängiger, unparteiischer, offener und transparenter Prozess” durchgeführt werden muss, bevor überhaupt Einfluß auf die Gebiete der Ureinwohner genommen werden kann. Dieser Prozess sichert den Einheimischen das Recht auf Information und Entscheidungsgewalt zu und stärkt sie gegen jedwede externe Interessen bezüglich der Erforschung, des Ausbaus und der Nutzung von Ressourcen auf ihren Gebieten.

Zur Zeit setzt sich die indigene Bevölkerung noch voll und ganz für den Schutz dieser Gebiete ein und verweigert ihre Zustimmung zu den Interessen der Mineralindustrie. Laut den Lumad-Gemeinden zielt die Regierung deshalb darauf ab, die örtlichen Gemeinden gegen einander auszuspielen indem sie mit den philippinischen Streitkräften zusammen arbeitet, welche Lumad als Paramilitärs rekrutieren und ausbilden. Auf diese Weise sollen die Lumad dazu gebracht werden, die Interessen der Mineralindustrie zu billigen.

„Diese paramilitärischen Truppen sind ein Produkt des Militärs. Allerdings wurde damit ein Monster geschaffen, das keiner mehr kontrollieren kann,” sagte Johnny Pimentel, der Gouverneur von Surigao del Sur. „Seit zwei Jahren bitte ich darum, dass das Militär diese Truppen auflöst und entwaffnet, aber nichts ist passiert,” fügte er hinzu.

Am Endes ihres tränenreichen Interviews gab Michelle zu verstehen, dass der Mörder ihres Vaters kein Fremder war, sondern ein entfernter Verwandter. Doch das, sagte sie, wird sie nicht von ihrem Bemühen abhalten, das Pantaron-Gebirge zu verteidigen. Ihre Worte sprechen die entschlossene Sprache der Lumad, „der Kampf wird weitergehen. Die Verteidigung des Pantaron-Gebirges ist die Verteidigung unseres Lebens — ein Verlust würde den Verlust unseres Lebens bedeuten.”

Warum sehe ich mich dazu veranlasst, ihre Geschichte zu teilen?

Weil ich weiß, dass die Bemühungen um den Umweltschutz ohne die Lumad niemals gelingen werden. Das Gebiets- und Selbstbestimmungsrecht der indigenen Bevölkerung steht in enger Verbindung zum Erhalt unserer ökologischen Grenzen, die helfen, die Auswirkungen der Klimaveränderung abzuschwächen. Sie kämpfen um die Gebiete ihrer Vorfahren – und unser Überleben. Sie kämpfen um ihr Leben – und unser Dasein. Was sie verlieren, verlieren wir alle. Was sie pflegen, kommt uns allen zugute.

Aufgrund der Schaffung eines straffreien Raums fungieren die Lumad nun als Zielscheibe. Sie werden brutal getötet, nur weil sie tausende von Hektar unserer Wälder vor der Ausbeutung durch einige der weltgrößten Minenunternehmen verteidigen: BHP Biliton, Nickel Asia-Sumitomo, Anglo-American, Toronto Ventures, Inc., Red 5 Limited, Rio Tinto, Benguet Mining Corp und Oceana Gold.

(c) Loi Manalansan

(c) Loi Manalansan

 

Die Bevölkerung schlägt zurück

Die Tötung der Lumad in den Philippinen ist nicht hinzunehmen! Mindanao befindet sich in einem Zustand der Straflosigkeit. Der Landesverband der philippinischen Kirchen und die katholischen Bischöfe der Philippinen haben den Lumad ihre volle Unterstützung zugesagt. Lasst uns zusammen stehen, um die Straflosigkeit zu beenden und Gerechtigkeit zu verlangen!

Am 26. Oktober 2015 werden hunderte Menschen aus der indigenen Bevölkerung zur philippinischen Hauptstadt Manila marschieren um Gerechtigkeit zu verlangen. Für alle, die nicht in Manila sind, haben wir einen Twitterstorm von 11 – 21 Uhr UTC +8 organisiert, damit auch Ihr die Forderungen der Lumad unterstützen könnt. Lasst uns über Twitter @noynoyaquino unsere Forderung überbringen: #StopLumadKillings!

Das globale Wirtschaftssystem, das Profit über Menschenleben stellt, führt zu Gewalt, Raub und Aggression. Der Kampf der Lumad auf den Philippinen ähnelt den Kämpfen der verschiedensten indigenen Gemeinschaften an vielen Orten der Welt. Die selben Unternehmensinteressen, die für die Ungerechtigkeit gegen jenen Gemeinden, die ihr Land und ihre Herkunft verteidigen, verantwortlich zu machen sind, sind auch für unsere in eine globale Klimakrise rutschende Welt ein zerstörerisches Gift.

Die Volksstämme im Amazonas-Gebiet von Brasilien sehen sich Bedrohungen ausgesetzt, weil sie sich den Fracking-Unternehmen entgegenstellen. Ähnlich geht es der indigenen Bevölkerung Ecuadors in ihrem Aufstand gegen die Ölfirmen. Auch in Peru gab es letztes Jahr Morddrohungen, als ein Stammesältester den Abholzungs-Firmen entgegentrat. In Indonesien wurden Ureinwohner getötet, weil sie gegen die Entwaldung protestierten. Diese Existenzkämpfe finden grenzüberschreitend statt und geschehen weltweit – aber die Menschen stehen auf und setzen sich gemeinsam für Land, Leben und Gerechtigkeit ein!