Trumps desaströse Entscheidung, die internationalen Entwicklungsprogramme der USA einzustampfen, scheint einen verheerenden Nachahmungseffekt auszulösen. Plötzlich wird überall, u. a. in Frankreich, den Niederlanden und diese Woche auch im Vereinigten Königreich, davon gesprochen, die Auslandshilfen zu kürzen. Man könnte fast meinen, dass die Länder Europas in großen finanziellen Schwierigkeiten stecken. So werden politische Entscheidungsträger*innen aktuell nicht müde, zu betonen, dass die öffentlichen Finanzen knapp und die Zeiten des Wirtschaftsbooms vor der Pandemie vorbei sind. So sagte der britische Außenminister, David Lammy, diese Woche, dass jetzt die wirklich „harten Entscheidungen“ getroffen werden müssen, weil das Geld fehlt. Das stimmt schlichtweg nicht. Was jedoch stimmt, ist, dass Menschen in ganz Europa Mühe haben, die Kosten für Strom, Heizung und Lebensmittel zu bezahlen.
Die Realität sieht anders aus als von Politiker*innen propagiert.

Erstens sind die reichen europäischen Länder so reich wie nie. Die Wirtschaftsflauten in den letzten zwei Jahrzehnten haben dem europäischen Wohlstand nichts anhaben können. Das mag sich für dich und mich zwar anders anfühlen, hat aber auch andere Gründe. Es gibt keine Umverteilung von oben nach unten, sondern nur umgekehrt. Fossile Unternehmen fahren weiterhin schwindelerregende Gewinne ein und zerstören dabei gleichzeitig unseren Planeten. Die großen Öl- und Gaskonzerne in den USA und Europa haben seit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 Gewinne von mehr als 281 Mrd. $ eingefahren. Gleichzeitig sind die reichsten 1 % der Bevölkerung noch reicher geworden. Allein in der EU ist das Vermögen der Milliardär*innen im letzten Jahr um 138 Mrd. € gestiegen. In der Wirtschaft wird also reichlich Geld gemacht. Das Problem ist, dass das Geld in die falschen Taschen wandert.
Zweitens ist die Frage, wie öffentliche Ausgaben verteilt werden, nicht ausschließlich von externen Faktoren abhängig. Unsere Regierungen können dies beeinflussen, da dies seit jeher im Wesentlichen eine bewusste politische Entscheidung ist. Schon immer wurden die öffentlichen Mittel für bestimmte Bereiche erhöht und für andere gesenkt. Die zentrale Frage lautet also: „Was ist uns am wichtigsten?“
Die Antwort unserer Regierungen auf diese Frage wird immer klarer. Am wichtigsten ist es ihnen, den aktuellen und zutiefst ungerechten Status quo beizubehalten, wenn nicht gar auszubauen. Warum profitieren gerade diejenigen von öffentlichen Investitionen, die eigentlich keine brauchen? Fossile Unternehmen brauchen mit Sicherheit keine öffentlichen Investitionen. Trotzdem fließen laut Schätzungen des IWF jedes Jahr 7 Billionen $ an öffentlichen Geldern in die Taschen fossiler Unternehmen, um ihren Profit zu steigern. Es grenzt an bittere Ironie, dass das genau der Betrag ist, der laut Bloomberg NEF jedes Jahr nötig wäre, um bis 2050 die Netto-Null zu erreichen. Und was rechtfertigt eigentlich, dass die Superreichen dieser Welt einen effektiven Steuersatz zahlen, der nur etwa halb so hoch wie der ist, den der Rest der Bevölkerung zahlt? Unsere Politiker*innen sagen uns durch ihre Entscheidungen, was ihnen am wichtigsten ist. Und das sind nicht wir, sondern die Fortsetzung eines Systems, von dem nur wenige Menschen und Unternehmen profitieren, und zwar auf Kosten unseres Klimas und der Mehrheit der Menschen.
In diesem Punkt handeln unsere Regierungen komplett entgegen der öffentlichen Meinung. Auch wenn das Thema Klimaschutz zunehmend polarisiert, ist nach wie vor eine große Mehrheit für Klimaschutz. Die Menschen wünschen sich mehr erneuerbare Energie, nicht weniger. Zudem befürworten weite Teile der Öffentlichkeit eine Steuer für Superreiche und fordern, dass die größten Umweltverschmutzer endlich ihren Teil dazu beitragen, die von ihnen verursachte Krise zu lösen.

Unsere Regierungen verkennen außerdem das Ausmaß des Problems. Die Klimakrise kennt keine Landesgrenzen. Die Klimakrise schlägt gnadenlos und ohne Unterschied zu, sei es in den Obstplantagen Kaliforniens, in den Lagunen von Vanuatu oder den Ebenen Mittelitaliens. Anstatt Investitionskürzungen brauchen wir groß angelegte Investitionen in den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien. Und das nicht nur in Europa, sondern überall und vor allem auch in den Teilen der Welt, die über weniger finanzielle Mittel verfügen, um diese Investitionen zu tätigen. Wir sind es diesen Ländern aufgrund der Geschichte schuldig. All das muss jetzt passieren, schnell und in großem Maßstab. Genauso wichtig ist, dass diese Investitionen mit Gerechtigkeit und Gleichheit Hand in Hand gehen. Es muss unbedingt vermieden werden, dass wir erneut auf Ausbeutung basierende Energiesysteme schaffen, die diese Klimakrise überhaupt erst verursacht haben.
Kürzungen bei Auslandshilfen und der Klimafinanzierung sind so kurzsichtig wie nur irgendwas. Solche Schritte bewirken rein gar nichts. Außer, dass sie die dringend benötigte Energiewende erschweren und zu noch mehr Ungerechtigkeit führen. Es verlieren alle. Die Menschen in Europa genauso wie die vielen Menschen im Rest der Welt. Wenn das nächste Mal eine europäische Regierung die Ausgaben für internationale Entwicklung kürzt, solltest du dich Folgendes fragen: Für wen setzen sich unsere Politiker*innen wirklich ein? Für die gewöhnlichen Bürger*innen oder für die Superreichen?