Waldrodung hat katastrophale Auswirkungen auf Klima, Biodiversität, Wettersysteme, Bodenfruchtbarkeit und Lebensgrundlagen. Gegenwärtig ist die Abholzung eines der gravierendsten ökologischen Probleme für unseren Planeten. Es besteht kein Zweifel, dass Wälder unbedingt geschützt und CO2-Emissionen reduziert werden müssen, trotzdem ist nicht jedes Aufforstungsprojekt zu begrüßen. Auf den ersten Blick scheint Aufforstung eine gute Idee zu sein, in der Praxis jedoch erwachsen daraus Probleme, die mit Klimagerechtigkeit, Menschenrechten und Naturschutz oft unvereinbar sind.

Erstaufforstung (das Pflanzen von Wäldern auf bislang unbewaldetem Land) und Wiederaufforstung (das Wiederanpflanzen von Bäumen auf ehemals bewaldetem Gebiet) zur Kompensation von CO2-Emissionen sind leider berüchtigte Ursachen von Vertreibungen, verschärften Landkonflikten, zerrütteten Nahrungsversorgungssystemen und Biodiversitätsverlusten. Zudem finden Initiativen zur CO2-Kompensation und der damit verbundene Landraub meist in Ländern des globalen Südens statt, die am allerwenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.

Mehr als 124 Staaten und 417 Unternehmen haben sich in irgendeiner Form zu „Netto-Null-Emissionen” verpflichtet. Das bedeutet nicht etwa, dass sie ihre Emissionen auf Null zurückfahren, sondern dass sie diese an anderer Stelle kompensieren wollen. Unternehmen können „CO2-Zertifikate” (CO2-Kontingente, die durch eine andere Abteilung, Unternehmen oder ein Programm kompensiert wurden) kaufen und verkaufen. Die wichtigsten Einkäufer von CO2-Zertifikaten sind die Vereinigten Staaten, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Deutschland und die Schweiz. Zu den Hauptanbietern zählen Brasilien, Peru, Kenia, Simbabwe, Bolivien, Indonesien und Kambodscha.

Für Erst- und Wiederaufforstungsprojekte werden in diesen Ländern teilweise Menschen enteignet und ihr Land wird privatisiert. Deshalb werden CO2-Kompensation und Emissionshandel oft als eine Form von CO2-Kolonialismus oder „Greengrabbing” (grüner Landraub) bezeichnet.

Durch solche Projektinitiativen kommt es häufig zu Landkonflikten oder zu deren Verschärfung. Ehemals gemeinschaftlicher Landbesitz, der bislang auf Gewohnheitsrecht beruhte, muss plötzlich von den Menschen, die das Land bewirtschaften, abgegrenzt und eingehegt werden. In Asien, wo zahlreiche CO2-Kompensationsprojekte angesiedelt sind, ist die Landnutzung längst zum Zankapfel geworden, zu einer Quelle weitreichender Konflikte und Konkurrenz sowohl innerhalb einzelner Communities als auch zwischen ihnen und staatlichen Initiativen.

CO2-Kompensationsmaßnahmen torpedieren oft Wirtschaftssysteme und Nahrungsmittelversorgung. Traditionelle soziale Zusammenhänge, in denen die Menschen ihre Lebensgrundlagen erwirtschaften und erhalten, werden zerstört, wenn ihnen von oben herab eine neue Landnutzung aufgezwungen wird, sodass ihnen weniger Platz zum Wohnen, für Landwirtschaft und kulturelle Aktivitäten übrig bleibt.

Werden betroffenen Menschen ohnehin schon allzu häufig Landrechte, wirtschaftliche Rechte oder Rechte indigener Völker vorenthalten, so kommt es bei forstwirtschaftlichen Großprojekten oft und verstärkend zur Verweigerung von Verfahrensrechten wie dem Recht auf Information, auf Partizipation, auf Selbstbestimmung und auf freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung.

Zahlreiche Aufforstungsprojekte sind unökologisch, etwa wenn riesige Monokulturen gepflanzt werden, wo früher artenreiche Naturwälder wuchsen. Einem 2019 in der Fachzeitschrift Nature erschienenen Bericht zufolge wurden bei 45 % der Aufforstungsprojekte Monokulturen gepflanzt, meist Akazien oder Eukalyptus. Diese nicht einheimischen Bäume beeinträchtigen das gesamte Ökosystem und schädigen indirekt Nahrungsketten und Wassersysteme, Bodenbeschaffenheit und waldgebundene Arten.

Der Weltklimarat wies 2018 in seinem IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme darauf hin, dass indigene und gewohnheitsrechtliche Landbewirtschaftungssysteme von entscheidender Bedeutung sind, wenn es darum geht, dem Klimawandel entgegenzuwirken bzw. sich an ihn anzupassen. Wo indigene Gesellschaften ihre Rechte voll und ganz genießen, sind die Wälder gesünder, die CO2-Emissionen geringer und die CO2-Bindung besser. 36 % der intakten Naturwälder befinden sich auf indigenem Land. Sie sind von zentraler Bedeutung für die Biodiversität, den Wasserhaushalt und das Wohlergehen der dort ansässigen Gesellschaften und stellen hervorragende CO2-Senken dar.

Fazit: Unter den Gesichtspunkten Klimagerechtigkeit, Menschenrechte und Ökologie verstetigen CO2-Kompensation und Emissionshandel allzu oft die Ungerechtigkeit und Ungleichheit, die der Klimakrise insgesamt zugrunde liegen. Sie fungieren als Notnagel für Staaten und Unternehmen im globalen Norden, die keine Verantwortung für ihren exzessiven Konsum und ihre Überproduktion übernehmen, sondern diese Emissionen zulasten derjenigen kompensieren, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.